Ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Zeit, in der ich anfing, Blogs zu lesen. Modeblogs hießen die damals und Ü irgendwas waren die schon gar nicht. Lifestyle kam später. Ob man den damals *ohgottdasklingtwieannotobak* nicht pflegte oder ob er noch nicht erfunden oder einfach noch nicht hip war, weiß ich nicht. Ist auch wurscht, denn was mich damals beeindruckte waren die Kommentare unter den Posts.
Es erschallten zig Rufe der Begeisterung. Die ich nicht immer unbedingt nachvollziehen konnte. Das gestehe ich jetzt einfach mal, auch auf die Gefahr hin, dass mich keiner mehr lieb hatte. So manches Mal war ich durchaus verdutzt, dass ein Outfit, das ich für kaum alltagstauglich hielt, von zwanzig Kommentatorinnen für gerade diese Alltagstauglichkeit gelobt wurde. Äh ja. Vermutlich war mein Alltag einfach ein anderer als auf High Hehls mitten auf einer Kreuzung mitten in New York herumzustehen und gelangweilt zu gucken.
Was ich einfach klasse fand war die Tatsache, dass sich scheinbar alle total lieb hatten. Nie las man ein kritisches Wort. Bis ich nach ein paar Monaten als Blogleser dann doch einmal auf einen dieser fiesen „Haterkommentare“ stieß. Der war nicht einmal besonders hasserfüllt. Aber erwünscht war er trotzdem nicht.
„Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sag gar nichts“, hieß die erste Lektion. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und wenn mir ein Outfit nicht gefällt, dann ist das mein Problem. Sehe ich übrigens auch so. Meine Klamottenwahl sagt vermutlich nicht jedem zu. Muss sie auch nicht. Ist ja Meine. Die muss mir gefallen. Selbst der Rest der Familie verdreht manchmal die Augen. Das dürfen die auch. Aber sie müssen damit leben, dass ich die Klamotten trotzdem trage. Zur Not halte ich fünf Meter Abstand, um nicht als Familienmitglied identifiziert zu werden ;-)
Noch ein bisschen später habe ich dann Lektion zwei gelernt, nämlich dass man, wenn man ein Outfit vielleicht als nicht so gelungen empfindet, einfach das positiv kommentiert, was man schön findet. Und wenn das der blühende Holunderbusch im Hintergrund ist. Auch ok. Wobei ich gerade überhaupt keine Ahnung hat, wie ein blühender Holunderbusch aussieht. Also nochmal langsam zum Mitschreiben: Über ein Outfit, die Figur oder die Person eines mir unbekannten Menschen zu urteilen, der mich nicht explizit dazu aufgefordert hat, steht mir nicht zu. Ich paule ja auch nicht den nächsten Menschen, dem ich in der Fußgängerzone begegne, an und sage ihm, dass seine Hose echt bescheuert aussieht. Das haben wir irgendwann alle mal von unseren Eltern gelernt. Das heißt gutes Benehmen. Punkt.
Aber dann kam die dritte Lektion, die ich bis heute nicht wirklich verstanden habe. Wenn nämlich ein Kommentator Kritik übt, die nicht wirklich persönlich ist. Also nicht „Das Outfit ist scheiße“ oder „Du bist zu dick“. Sondern vielmehr einen Post oder eine Haltung hinterfragt. In mehr oder minder wohlgesetzten Worten. Der eine kann sich da besser ausdrücken, der andere eben nicht. Womöglich tut er das auch noch anonym. Kritzelt ein „Gabi“ drunter, aber gibt keine Webseite oder Mailadresse an. Und dann kommt plötzlich die volle Breitseite. Nicht einmal von der Bloggerin selbst, sondern in der Regel von anderen Bloglesern. Der Ursprungs-Kommentator steht plötzlich in einem Kugelhagel, dass das „battle of the bastards“ aus Game of Thrones dagegen wie eine Sandkistenschlacht aussieht.
Ausgangskommentar: Bla bla (kritisch)
Antwort 1: Du bist ja nur neidisch.
Antwort 2: Du bist nicht nur neidisch, du bist auch missgünstig.
Antwort 3: Du bist neidisch und missgünstig und sowieso scheiße.
Antwort 4: Du musst ein schreckliches Leben haben.
Antwort 5: Du bist ein furchtbarer Mensch und solltest dich schämen.
...to be continued...
Da wird dann der Kommentator beschimpft, dass die Fetzen fliegen, weil er sein Gift gefälligst vor seiner eigenen Haustür verspritzen soll. Und diejenigen, die ihm das nahelegen, merken scheinbar nicht einmal, dass sie sich mit ihren Antworten gern in die Schlange der Giftspritzen einreihen dürfen. Manchmal fühle ich mich da an Furien erinnert. Und mich gruselt es.
Es geht übrigens auch anders. Die Mädels von Jane Wayne zum Beispiel müssen durchaus auch das eine oder andere Mal Kritik und den Kommentaren lesen. Sie nehmen die sehr ernst und versuchen, ihre Haltung in deutlichen, aber freundlichen Worten klar zu machen. Solche Auswüchse wie oben beschrieben habe ich da noch nie gelesen.
Das ist nicht einfach. Weiß ich selbst. Manchmal fühlt man sich von einem Kommentar furchtbar angegriffen, obwohl der gar nicht so gemeint ist. Ich saß selbst schon schäumend vor dem Rechner und habe mir gedacht „whatthefuck“. Und ich habe auch schon zurückgehauen. Aber ich habe inzwischen dazugelernt. Heute schlafe ich drüber und reagiere dann. Wobei - einen wirklich bösen oder beleidigenden Kommentar habe ich in dem Jahr, das ich jetzt blogge, noch nicht kassiert. Auch nicht von anonymen Kommentatoren. Die sind hier übrigens herzlich willkommen.
Denn was weiß ich schon, warum ein Kommentar anonym gepostet wurde. Vielleicht hat der Kommentator einfach keinen der gängigen Accounts für Kommentare. Und keine Webseite. Oder mag seine Mailadresse nicht angeben, warum auch immer. Ich habe selbst als Leser lange anonym kommentiert. Dass "man" das nicht tut, war mir lange nicht klar.
Wenn ich mich durch einen anonymen oder nicht-anonymen Kommentar angegriffen fühle, dann kann ich mir die kurze Mühe machen nachzufragen, ob ich das jetzt richtig verstanden habe. Nicht jeder drückt sich so aus, dass ich ihn auf Anhieb verstehe. Und in geschriebener Kommunikation sind Missverständnisse vorprogrammiert, das wissen wir alle. Abgesehen davon sind wir alle in einem Alter, wo das echt nicht mehr sein muss. Wir rühmen und doch ständig unserer Souveränität und Lebenserfahrung. Warum reagieren wir dann manchmal wie Grundschüler?
Wenn ich nicht beleidigt werden möchte, dann muss ich genau das auch jedem anderen zugestehen. Und wenn jemand auf meinem Blog beleidigt wird, dann tu ich das, was ich auch in meinem Wohnzimmer tun würde: Ich bitte die Streithähne zu gehen und ein bisschen runterzukommen. Und ich lüfte erstmal durch respektive bitte um Ruhe und lösche zur Not Kommentare, die aus dem Ruder gelaufen sind.
Es ist einfach absurd, wenn ein Kommentator von einer ganzen Horde Damen virtuell gesteinigt wird, weil er absichtlich oder unabsichtlich den ersten Stein geworfen hat. Das lernt man heutzutage im Kindergarten. Nicht zurückhauen, sondern reden. Ich kann da allerdings eigentlich gar nicht mitreden, ich bin ein Mitglied der geburtenstarken Jahrgänge und habe keinen Kindergartenplatz bekommen ;-)
Liebe Grüße
Fran
P.S. Niemand muss diesen Post beklatschen. Ihr dürft mir durchaus sagen, dass ihr das anders seht und warum. Ich diskutiere gern. Und ich lasse mich manchmal sogar eines Besseren belehren. Denn die Weisheit habe ich nicht gepachtet. Aber sagt es nicht weiter, denn meinen Kindern gegenüber behaupte ich natürlich genau das.
P.P.S. Auch Love T. und Anna haben sich auf ihren Blogs gerade mit dem Thema Kritik beschäftigt. Lest doch mal rein :-)