„Heute abend kommt Charlotte vorbei. Wir müssen noch unser Referat fertigmachen“, teilt mir Tochter, groß, nach der Schule mit. „Ok, wollt ihr dann noch etwas essen? Charlotte war doch die, die keinen Käse mag, oder?“ frage ich. „Nee, Mama, DAS ist Charlotte“, zeigt mir meine Tochter ein Instagram-Bild. Hm, ok, diese schmale junge Dame im gestylten Teenie-Zimmer samt Designertasche habe ich noch nie gesehen. Also doch Käse.
Abends klingelt es. Und weil die Töchter sich gerade in ihren Zimmern verbuddelt haben, öffne ich die Tür. „Hallo, ich bin Charlotte“, begrüßt mich das junge Mädchen, das so gar nichts mit dem Insta-Bild zu tun hat. Ich gucke wohl etwas komisch. „Ich möchte zu Lea“, sagt Charlotte und ich besinne mich endlich auf meine Kinderstube und bitte sie lachend herein. „Sorry, ich habe jemand anderen erwartet“, entschuldige ich mich und zeige ihr den Weg nach oben.
Epic fail, würden meine Töchter jetzt sagen. Und ich frage mich, warum dieses hübsche junge Mädchen alle Raffinessen von Photoshop und alle verfügbaren Insta-Filter bemüht hat, um ihre ohnehin schlanke Figur fünf Kilo leichter zu machen und das in Natura wirklich hübsche Gesicht weichgezeichnet bis zum geht-nicht-mehr. „Weil man das eben so mahaaaacht, Mama. Das verstehst du nicht“, ist die Antwort meiner Tochter, als ich sie danach frage.
Ok, man machte das also so. Im Prinzip hat sie ja Recht. Das machen nicht nur Teenies so, das machen fast alle auf Instagram so. Als ich die App kennenlernte, war sie für viele noch das, als was sie einmal gedacht war: Eine App, um Schnappschüsse, die man mit dem Handy machte, zu teilen. Richtige Schnappschüsse aus dem richtigen Leben. Inzwischen ist Instagram ein Business. Wer viele Follower und Likes zu bieten hat, verdient gutes Geld mit seinen Bildern. Und weil dafür Schnappschüsse schon lange nicht mehr reichen, sind diese Bilder inszeniert bis ins letzte Detail und anschließend bearbeitet
Kurzer Check gefällig? Dann gucken wir mal:
Bild 1: Ein schmaler weißer Schreibtisch, samt Druck mit einem Sinnspruch an der Wand. Der Druck natürlich schwarz-weiß. Auf dem Schreibtisch eine selbstverständlich unversehrte Duftkerze, eine weiße Vase mit blassrosa Tulpen und das unvermeidliche Macbook. Daran wird laut Bildunterschrift jetzt an der Bachelorarbeit gearbeitet.
Ok, ich habe für meine Diplomarbeit tonnenweise unfotogener Bücher gebraucht, die rings um den Schreibtisch verteilt waren. Macbooks waren damals noch nicht erfunden, Tulpen konnte ich mir als Studentin ohnehin genausowenig leisten wie Duftkerzen für einen Fünfziger. Und mein Schreibtisch war groß und chaotisch.
Bild 2: Ein Frühstück, für das ich töten würde. Mit Porridge, Pancakes, farblich passendem, makellosem Obst und natürlich ohne Kohlehydrate. Auf weißem Porzellan, auf weißem Tisch. Sonnenaufgang mit weißem Schnee im Hintergrund. Zum Obst farblich abgestimmte Tulpen in weißer Vase.
Ich esse derweil meinen Apfel und löffle meinen unfotogenen Joghurt. Zum Dekorieren fehlt mir die Zeit, ich muss noch einen Text fertigschreiben.
Bild 3: Weißer, schmaler Schreibtisch mit Druck (siehe oben). Statt blassrosa Tulpen diesmal eine blassrosa Clutch. Schuhe in schwarz-weiß. Eine Duftkerze. Ein Kaktus in weißem Blumentopf. Eine gigantische Armspange mit Designer-Logo. Die „Day-Essentials“ des Posters, so sagt die Bildunterschrift.
Was zur Hölle machen die Schuhe auf dem Schreibtisch? Und wieso kauft man sich Duftkerzen und zündet sie dann nicht an? Warum braucht man einen Kaktus als Day-Essential?
Solche Bilder und Gedanken kennt wohl jeder, der Instagram nutzt. Ich bin alt und ein bisschen weise. Ich weiß, dass das nicht die Realität ist, sondern das, was manche Menschen anderen Menschen als Realität verkaufen möchten. Instagram ist für mich allenfalls ein Pausenfüller. Und die künstliche Welt, die viele dort zeigen, langweilt mich.
Für jüngere Menschen ist Instagram mehr. Erfuhr man früher über Facebook, was andere so machen, erfährt man es jetzt über Instagram, denn Facebook wurde längst von den Eltern erobert und ist damit „raus“. Und viele nehmen das, was ihnen per Instagram präsentiert wird, als Teil der Realität. Natürlich wissen fast alle, dass die Bilder inszeniert sind. Aber wer Tag für Tag mit Hunderten solcher Bilder konfrontiert ist, bei dem brennen sie sich irgendwann ein. Der fragt nicht mehr bei jedem einzelnen Bild, was daran Wahrheit ist und was Fake. Der ist irgendwann so weit, dass er wirklich glaubt, dass doch nun wirklich alle eine Designertasche haben und er selbst sie auch braucht, um überhaupt noch dazuzugehören. Die Tasche steht dabei stellvertretend für Vieles: Das perfekte Zuhause, die perfekte Figur, die perfekten Kinder, die perfekte Garderobe, der perfekte Urlaub.
Was las ich kürzlich von einer Bloggerin in den Zwanzigern: „ Klar mag es sein, dass sich ein paar pubertäre Mädels von den vielen Sixpacks, Celine Trapez Bags und Kale Salads vielleicht unter Druck setzen lassen, aber das ist in Zeiten des Internets leider einfach unvermeidbar.“
Nun denn, so kann man das auch sehen. Das sind dann wohl „Kollateralschäden“. Hauptsache, man selbst hat genug an den Bildern verdient. Und das sehen viele so. Scheiß auf die Menschen, die drauf reinfallen. Ist ja im Prinzip auch Sinn der Sache. Da wird dann der Ruf nach den Eltern dieser Mädchen laut. Die sollen doch ihren Blagen gefälligst mal sagen, dass das alles nur Fake ist. Dumm nur, dass das oft nicht reicht. Siehe oben. Oder dass Pubertärer nun mal ihre eigene Sicht auf die Welt haben und die der Eltern garantiert NICHT relevant ist.
Und jetzt mal ganz ehrlich: Wer hat denn bitte noch nie das Frühstück noch ein bisschen netter zurechtgeschoben, die Blumenvase noch mal schnell aus der anderen Ecke geholt und dazu gestellt, weil die Blümchen doch farblich so nett passen und dann noch mit Akribie die richtige Perspektive für das Foto gesucht? Ja, ich habe mich dabei auch schon erwischt.
„Aber das ist doch kein Verbrechen!“ wird jetzt der eine oder andere sagen. Nö, ist es nicht. Aber es ist auch ein erster Schritt in Richtung Inszenierung. Ich frage mich, wie viele Instagramer Blumen nur deshalb kaufen, weil das Foto mit den Tulpen, die aus der XY-Tasche rausgucken, so hübsch ist und später der neue Lippenstift mit passender Rosenblüte und noch später das Frühstück mit Blume viel netter aussehen als ohne. Und nicht etwa, weil Blumen einfach schön sind.
Ich möchte demjenigen, der meine Bilder auf Instagram ansieht - es sind ohnehin nur eine Handvoll Menschen - nichts vormachen, was ich nicht bin, nur um sie mit Dingen zu beeindrucken, die ich eigentlich gar nicht habe, aber vielleicht gern hätte? Wozu? Wer mich mag, tut das hoffentlich auch ohne das dekorative Frühstück, mit Joghurt und Apfel. Und ich möchte, dass meine Töchter das auch so handhaben. Ob das klappt, weiß ich nicht. Denn diese „Mehr Schein als Sein“-Mentalität ist in ihrer Generation inzwischen tief verwurzelt. Ja, auch dank Instagram.
„Ich habe Charlotte übrigens mal gesagt, dass sie diese angehübschten Bilder auf Insta echt nicht nicht nötig hat“, sagte meine Tochter vor einigen Tagen zu mir. Sie selbst hat zwar einen Instagram-Account, nutzt ihn aber nicht. Glaube ich. Teenies tun einen Teufel und binden sowas ihren Eltern auf die Nase.
Vielleicht kommt die Botschaft ja bei Charlotte an. Und vielleicht kommt sie auch irgendwann bei der oben zitierten Bloggerin an. Ich würde es ihr wünschen. Und ich würde mir wünschen, dass der Trend vielleicht irgendwann dahin geht, dass wieder mehr Realität Einzug hält. Denn ganz ehrlich: Sind wir nicht auch ohne Filter und Photoshop, ohne die Celine und ohne den Traumstrand im Hintergrund besondere Menschen?
Abends klingelt es. Und weil die Töchter sich gerade in ihren Zimmern verbuddelt haben, öffne ich die Tür. „Hallo, ich bin Charlotte“, begrüßt mich das junge Mädchen, das so gar nichts mit dem Insta-Bild zu tun hat. Ich gucke wohl etwas komisch. „Ich möchte zu Lea“, sagt Charlotte und ich besinne mich endlich auf meine Kinderstube und bitte sie lachend herein. „Sorry, ich habe jemand anderen erwartet“, entschuldige ich mich und zeige ihr den Weg nach oben.
Epic fail, würden meine Töchter jetzt sagen. Und ich frage mich, warum dieses hübsche junge Mädchen alle Raffinessen von Photoshop und alle verfügbaren Insta-Filter bemüht hat, um ihre ohnehin schlanke Figur fünf Kilo leichter zu machen und das in Natura wirklich hübsche Gesicht weichgezeichnet bis zum geht-nicht-mehr. „Weil man das eben so mahaaaacht, Mama. Das verstehst du nicht“, ist die Antwort meiner Tochter, als ich sie danach frage.
Ok, man machte das also so. Im Prinzip hat sie ja Recht. Das machen nicht nur Teenies so, das machen fast alle auf Instagram so. Als ich die App kennenlernte, war sie für viele noch das, als was sie einmal gedacht war: Eine App, um Schnappschüsse, die man mit dem Handy machte, zu teilen. Richtige Schnappschüsse aus dem richtigen Leben. Inzwischen ist Instagram ein Business. Wer viele Follower und Likes zu bieten hat, verdient gutes Geld mit seinen Bildern. Und weil dafür Schnappschüsse schon lange nicht mehr reichen, sind diese Bilder inszeniert bis ins letzte Detail und anschließend bearbeitet
Kurzer Check gefällig? Dann gucken wir mal:
Bild 1: Ein schmaler weißer Schreibtisch, samt Druck mit einem Sinnspruch an der Wand. Der Druck natürlich schwarz-weiß. Auf dem Schreibtisch eine selbstverständlich unversehrte Duftkerze, eine weiße Vase mit blassrosa Tulpen und das unvermeidliche Macbook. Daran wird laut Bildunterschrift jetzt an der Bachelorarbeit gearbeitet.
Ok, ich habe für meine Diplomarbeit tonnenweise unfotogener Bücher gebraucht, die rings um den Schreibtisch verteilt waren. Macbooks waren damals noch nicht erfunden, Tulpen konnte ich mir als Studentin ohnehin genausowenig leisten wie Duftkerzen für einen Fünfziger. Und mein Schreibtisch war groß und chaotisch.
Bild 2: Ein Frühstück, für das ich töten würde. Mit Porridge, Pancakes, farblich passendem, makellosem Obst und natürlich ohne Kohlehydrate. Auf weißem Porzellan, auf weißem Tisch. Sonnenaufgang mit weißem Schnee im Hintergrund. Zum Obst farblich abgestimmte Tulpen in weißer Vase.
Ich esse derweil meinen Apfel und löffle meinen unfotogenen Joghurt. Zum Dekorieren fehlt mir die Zeit, ich muss noch einen Text fertigschreiben.
Bild 3: Weißer, schmaler Schreibtisch mit Druck (siehe oben). Statt blassrosa Tulpen diesmal eine blassrosa Clutch. Schuhe in schwarz-weiß. Eine Duftkerze. Ein Kaktus in weißem Blumentopf. Eine gigantische Armspange mit Designer-Logo. Die „Day-Essentials“ des Posters, so sagt die Bildunterschrift.
Was zur Hölle machen die Schuhe auf dem Schreibtisch? Und wieso kauft man sich Duftkerzen und zündet sie dann nicht an? Warum braucht man einen Kaktus als Day-Essential?
Solche Bilder und Gedanken kennt wohl jeder, der Instagram nutzt. Ich bin alt und ein bisschen weise. Ich weiß, dass das nicht die Realität ist, sondern das, was manche Menschen anderen Menschen als Realität verkaufen möchten. Instagram ist für mich allenfalls ein Pausenfüller. Und die künstliche Welt, die viele dort zeigen, langweilt mich.
Für jüngere Menschen ist Instagram mehr. Erfuhr man früher über Facebook, was andere so machen, erfährt man es jetzt über Instagram, denn Facebook wurde längst von den Eltern erobert und ist damit „raus“. Und viele nehmen das, was ihnen per Instagram präsentiert wird, als Teil der Realität. Natürlich wissen fast alle, dass die Bilder inszeniert sind. Aber wer Tag für Tag mit Hunderten solcher Bilder konfrontiert ist, bei dem brennen sie sich irgendwann ein. Der fragt nicht mehr bei jedem einzelnen Bild, was daran Wahrheit ist und was Fake. Der ist irgendwann so weit, dass er wirklich glaubt, dass doch nun wirklich alle eine Designertasche haben und er selbst sie auch braucht, um überhaupt noch dazuzugehören. Die Tasche steht dabei stellvertretend für Vieles: Das perfekte Zuhause, die perfekte Figur, die perfekten Kinder, die perfekte Garderobe, der perfekte Urlaub.
Was las ich kürzlich von einer Bloggerin in den Zwanzigern: „ Klar mag es sein, dass sich ein paar pubertäre Mädels von den vielen Sixpacks, Celine Trapez Bags und Kale Salads vielleicht unter Druck setzen lassen, aber das ist in Zeiten des Internets leider einfach unvermeidbar.“
Nun denn, so kann man das auch sehen. Das sind dann wohl „Kollateralschäden“. Hauptsache, man selbst hat genug an den Bildern verdient. Und das sehen viele so. Scheiß auf die Menschen, die drauf reinfallen. Ist ja im Prinzip auch Sinn der Sache. Da wird dann der Ruf nach den Eltern dieser Mädchen laut. Die sollen doch ihren Blagen gefälligst mal sagen, dass das alles nur Fake ist. Dumm nur, dass das oft nicht reicht. Siehe oben. Oder dass Pubertärer nun mal ihre eigene Sicht auf die Welt haben und die der Eltern garantiert NICHT relevant ist.
Und jetzt mal ganz ehrlich: Wer hat denn bitte noch nie das Frühstück noch ein bisschen netter zurechtgeschoben, die Blumenvase noch mal schnell aus der anderen Ecke geholt und dazu gestellt, weil die Blümchen doch farblich so nett passen und dann noch mit Akribie die richtige Perspektive für das Foto gesucht? Ja, ich habe mich dabei auch schon erwischt.
„Aber das ist doch kein Verbrechen!“ wird jetzt der eine oder andere sagen. Nö, ist es nicht. Aber es ist auch ein erster Schritt in Richtung Inszenierung. Ich frage mich, wie viele Instagramer Blumen nur deshalb kaufen, weil das Foto mit den Tulpen, die aus der XY-Tasche rausgucken, so hübsch ist und später der neue Lippenstift mit passender Rosenblüte und noch später das Frühstück mit Blume viel netter aussehen als ohne. Und nicht etwa, weil Blumen einfach schön sind.
Ich möchte demjenigen, der meine Bilder auf Instagram ansieht - es sind ohnehin nur eine Handvoll Menschen - nichts vormachen, was ich nicht bin, nur um sie mit Dingen zu beeindrucken, die ich eigentlich gar nicht habe, aber vielleicht gern hätte? Wozu? Wer mich mag, tut das hoffentlich auch ohne das dekorative Frühstück, mit Joghurt und Apfel. Und ich möchte, dass meine Töchter das auch so handhaben. Ob das klappt, weiß ich nicht. Denn diese „Mehr Schein als Sein“-Mentalität ist in ihrer Generation inzwischen tief verwurzelt. Ja, auch dank Instagram.
„Ich habe Charlotte übrigens mal gesagt, dass sie diese angehübschten Bilder auf Insta echt nicht nicht nötig hat“, sagte meine Tochter vor einigen Tagen zu mir. Sie selbst hat zwar einen Instagram-Account, nutzt ihn aber nicht. Glaube ich. Teenies tun einen Teufel und binden sowas ihren Eltern auf die Nase.
Vielleicht kommt die Botschaft ja bei Charlotte an. Und vielleicht kommt sie auch irgendwann bei der oben zitierten Bloggerin an. Ich würde es ihr wünschen. Und ich würde mir wünschen, dass der Trend vielleicht irgendwann dahin geht, dass wieder mehr Realität Einzug hält. Denn ganz ehrlich: Sind wir nicht auch ohne Filter und Photoshop, ohne die Celine und ohne den Traumstrand im Hintergrund besondere Menschen?