Na, welche Schweine sind Euch in diesem Monat so über den Weg gelaufen? Ich bin gleich über zwei gestolpert - eines davon ist allerdings schon eine etwas ältere Sau, die schon vor Jahren durch die Dörfer zog und jetzt scheinbar recycelt wurde. Das wird vermutlich daran liegen, dass das Thema Alter auch vor der Spezies „Blogger“ nicht Halt macht.
Aber erstmal zum ersten Schweinderl, das genau genommen auch schon einige Monate alt ist, aber das ich als bekennender Chaot bislang ignoriert habe. Bis ich in der vergangenen Woche wieder mal meinen Kleiderschrank aufgeräumt habe. Was blieb mir auch anderes übrig, im Obergeschoss des Hauses durch eine puddingartige Masse im Flur eingesperrt? OK, ich hätte auch das Bad putzen können. Aber DAS schien mir noch weniger attraktiv. Also betätigte ich mich am Kleiderschrank. Und als Kind, klein, mich irgendwann in meinen Kleiderhaufen-Chaos besuchte, bekam ich prompt Aufräum-Anweisungen. Das Kind guckt nämlich gerne mal „Aufräumen mit Marie Kondo“ und war entrüstet, weil ich Kleidung, die ich entsorgen wollte, einfach mal in die bereitgestellte Tüte pfefferte, ohne mich zu bedanken. Was für eine Respektlosigkeit meinerseits aber auch! Ich pfeffere einfach ein paar Socken samt Loch in die Tüte und sage vorher nicht artig „Danke“. Geht gar nicht!
Anmerkung in eigener Sache: Kann mir eigentlich jemand erklären, warum dieses Kind, das doch die Aufräum-Serie quasi inhaliert, in seinem Zimmer leere Flaschen und benutztes Geschirr hortet? Liegt das daran, dass sie diese Dinge liebt? Darf man das dann? Was sagt Frau Kondo dazu?
Auf meine Frage, ob sie sich angesichts des letzten Schultages in der vergangenen Woche von den Englisch-Unterlagen, die ich im Altpapier fand, verabschiedet hatte, kam nur ein nervöses Kichern. Erwischt. Sie hat die einfach entsorgt, ohne sich zu bedanken. Ha, so geht das eigentlich nicht. Weiß ich jetzt. Ich bin allerdings nicht sicher, ob man sich jetzt von jedem Englisch-Arbeitsblatt einzeln verabschieden muss oder ob das auch ordnerweise geht? Und sagt man "Danke" oder "Thanks"? Ist ja Englisch... Wie hält man das mit Socken? Einzeln oder nur paarweise? Was, bitte, macht man dann mit diesen Einzelstücken, die der Wäschetrockner Woche für Woche produziert? Muss man die so lange sammeln, bis der Partner wieder aufgefunden wird und darf sie nur gemeinsam entsorgen? Bringt es etwa sieben Jahre Unglück, wenn man einzelne Socken ohne sich zu bedanken heimlich in einen gelben Sack stopft?
Aufgrund von akutem Zeitmangel ist die Marie-Kondo-Serie auf Netflix leider an mir vorbeigegangen. Ich brauche schließlich jede freie Minute, um die letzten sieben Staffeln von Game of Thrones noch einmal zu suchten, bevor es am 14. April mit der finalen Staffel losgeht. Bisher bin ich mit meiner Methode, den Inhalt des Kleiderschrankes auszusortieren, eigentlich auch ganz gut gefahren. Ich warte auf einen Tag, an dem ich Zeit habe, nehme mir den Kleiderschrank Fach für Fach vor und sortiere aus, was
- nicht mehr passt
- aufgrund von Alterserscheinung nur noch für Gartenarbeit taugt (und ich bräuchte vermutlich ein Dutzend Gärten, wenn ich das alles bei der Gartenarbeit tragen wollte)
- mir aus irgendwelchen Gründen nicht mehr gefällt
Das kommt dann in diverse Tüten. Eine für die Kleiderkammer, eine für den Container. Ganz manchmal gibt es noch eine mit Dingen, die ich vorerst behalte und die ich in der Regel irgendwo vergesse, bevor ich sie dann irgendwann entsorge. Ein Abschied auf Raten quasi. Mich bei dem Inhalt der Tüten zu bedanken - auf die Idee bin ich noch nie gekommen. Ist vielleicht eine gute Idee. Warum, das finde ich noch raus. Vermutlich so gegen Ende Mai, wenn die achte Staffel von Game of Thrones ein Ende findet, ich Seriennachschub brauche und bei Frau Konto lande. Dann allerdings wäre ich wohl die letzte Person auf dem Planeten, die das guckt, während der Rest schon dem nächsten Aufräum-Hype hinterherjagt. Hm. Ich denke darüber nach.
Währenddessen widme ich mich dann mal der nicht mehr ganz taufrischen Sau. Der eine oder andere wird es schon ahnen: Es ist die Unsichtbarkeit der Blogger jenseits einer unsichtbaren Altersschwelle. Ist das jetzt Ü30? Oder Ü40? Oder Ü50? Man weiß es nicht genau. Fest steht nur: Wir werden alle unsichtbar, wenn wir diese Schwelle überschreiten. Finde ich eigentlich ziemlich gut. Ich habe mir im Laufe der letzten 20 Jahre sooooo oft den Tarnumhang von Harry Potter gewünscht - und jetzt bekomme ich die Tarnfunktion gleich kostenlos als Dreingabe!
Ich weiß allerdings nicht, warum das bei mir bisher nicht funktioniert hat. Ich bin inzwischen 53 Jahre alt und der nächste Geburtstag ist in Sichtweite. Aber unsichtbar? Keine Spur. Nicht dass ich mir das nicht manchmal wünschen würde. Wenn wieder mal ein Opfer gesucht wird, das die Kreistagssitzung mit 42 Tagesordnungspunkten besucht zum Beispiel. Dann wäre ich in der Redaktionskonferenz liebend gern unsichtbar. Oder wenn der Hund ganz dringend raus muss und es in Strömen regnet. Was gäbe ich dafür, wenn ich dann unsichtbar wäre. Oder wenn der Bürgermeister der Gemeinde Hupfenhausen mal wieder richtig sauer ist, weil ich es gewagt habe, an seiner Alleinherrschaft zu rütteln. Trotz meines stolzen Alters hat das bisher absolut überhaupt gar nicht geklappt mit der Unsichtbarkeit.
OK, Spaß beiseite. Selbst ich habe inzwischen verstanden, dass es gar nicht darum geht, dass wir tatsächlich unsichtbar sind, weil wir alt, faltig und beige sind. Nein, es geht darum, dass wir für die Werbeindustrie unsichtbar sind. So sagt man. Finde ich nicht. Ich denke, die Werbeindustrie weiß ziemlich genau, dass es uns gibt.
Aber warum sollte sie die neue It-Bag (oder das neue It-Piece oder die neue It-Armbanduhr etc. p.p.) an eine 50-jährige Bloggerin hängen, wenn sie für den gleichen Preis eine 20-jährige bekommen kann? Wenn man die engagiert, hat man nämlich quasi alle auf einen Streich. Die 20-jährigen kaufen das Ding, weil sie volle Kanne ge-influenced sind und genau genommen nur eine Horde Lemminge sind - böse Zungen behaupten das auf jeden Fall. Die 50-jährigen kaufen das Ding, weil es total gut zu ihrem sophisticated Style passt und sie außerdem ein kleines bisschen hoffen, dass sie drei Jahre jünger wirken, wenn sie das Ding trage - obwohl natürlich keine Frau über 50 irgendwelchen Trends hinterherlaufen würden. Niemals! Die Gucci-Gürtel an Frauen über 50 sind nämlich angeboren, nicht erworben. Zurück zur Werbeindustrie. Wenn die nun mit einer 20-jährigen Influencerin wirbt und alle zwischen 20 und 60 kaufen das Zeug, dann ist das definitiv eine win-win-Situation. Für die Werbeindustrie.
Und warum engagieren so wenig Luxusmarken Bloggerinnen ab 40 für ihre Kampagnen? Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, aber ich finde es irgendwie skurril, wenn man als Blogger Ü irgendwas über dieses Phänomen klagt und sich gleichzeitig regelmäßig Spritzen in diverse Gliedmaßen jagen lässt, um nicht so alt auszusehen wie man ist. Dann sollte man die Antwort auf die Frage oben doch eigentlich längst kennen: Weil Alter eben nicht als attraktiv gilt. Und das hat der klagende Blogger in der Regel selbst verinnerlicht, sonst würde er den Altersprozess ja nicht händeringend aufhalten wollen. Ähem, natürlich möchte man offiziell ja nur entspannt aussehen und Falten sehen eben nicht entspannt, sondern verkniffen aus….. Es bleibt die Erkenntnis: Wenn wir uns selbst angesichts des sichtbaren Alters schon bemühen, das Rad zurück zu drehen, warum beschweren wir uns dann ernsthaft darüber, dass die Werbeindustrie auf die jungen Hühner zurückgreift?
Das große Stöhnen darüber, dass den Ü-irgendwas-Bloggern nur noch die Werbung für Treppenlifte und Inkontinenzeinlagen bleibt, kann ich auch nicht so richtig nachvollziehen. Mädels, wenn ihr zum Bloggen über so böse Dinge gezwungen werdet, geht zur Polizei! Die helfen euch, wenn ihr zu Dingen gezwungen werdet, die ihr nicht tun wollt.
Liebe Grüße
Fran