Auch wenn die Begriffe „Depression“ oder „depressiv“ gerne mal inflationär benutzt werden - sie beschreiben eine Krankheit. Und die besteht nicht daraus, einfach mal mies drauf oder traurig zu sein. Wer morgen früh aufsteht und nach dem Frühstück feststellt, dass er miese Laune hat oder wegen nix heulen könnte, ist in der Regel nicht depressiv. Auch wenn es in den Ohren mancher Menschen fancy klingt. Eine Depression ist definitiv nicht fancy.
Fangen wir mal mit der Begriffsklärung an: Der Fachbegriff lautet eigentlich „depressive Episode“. Und das heißt auch, dass eine Depression in der Regel eben in Episoden auftritt, außer man leidet unter einer dauerhaften depressiven Verstimmung, einer sogenannten Dysthymia. Eine depressive Episode ist also eine Episode. Die kann ein paar Monate oder ein Jahr dauern.
Depressive Episoden kann man in vielen Fällen nicht an einem klaren Auslöser festmachen. Ihnen geht eine allmähliche Entwicklung voraus. Heißt auch: Man ist nicht plötzlich eines Morgens depressiv. Wenn da so ist, ist man an diesem Morgen eher einfach nur mies drauf. Kann passieren, selbst dem positivsten Menschen. Außerdem hat so eine depressive Episode in der Regeln nicht nur eine Ursache. Es kommen häufig mehrere Dinge zusammen, etwas Stress, die genetische Disposition, erlernte Schemata aus der Kindheit. Wenn man das dann mit einem sogenannten life event, also einer Veränderung im Leben, garniert, landet man eben manchmal in einer depressiven Episode.
Dann gibt es verschiedene Schweregrade einer depressiven Episode. Ja, tatsächlich. Es gibt leichte, mittlere und schwere depressive Episoden. Unterschieden wird das nach den Symptomen. Klingt einigermaßen einfach, ist es aber nicht. Denn die Symptome sind nicht unbedingt so richtig eindeutig.
Unterschieden wird übrigens in drei Haupt- und sieben Zusatzsymptome. Dazu kommen dann, wenn man Pech hat, noch somatische Symptome.
Zu den Hauptsymptomen einer depressiven Episode gehört die „depressive Stimmung in einem deutlich ungewöhnlichen Ausmaß, die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, unbeeinflusst von Umständen mit einer Dauer von mindestens zwei Wochen“. Dazu kommt der Verlust von Interesse und Freude an Dingen, die normalerweise angenehm waren und ein verminderter Antrieb. Und damit ist nicht gemeint, dass man gerade mal keine Lust hat, sich an die Bügelwäsche zu machen ;-) Das ist, wenn man morgens im Bett liegt und es nicht schafft aufzustehen, weil es ja doch keinen Unterschied macht, ob man aufsteht oder nicht und weil es einfach unglaublich schwer ist. Diese drei Hauptsymptome machen also hoffentlich schonmal klar, wo der Unterschied zwischen Depression und schlechter Laune ist.
Und damit nicht genug, die sieben Zusatzsymptome klingen auch richtig nice: Da wären der Verlust von Selbstwert und Selbstvertrauen, unbegründete Selbstvorwürfe, wiederkehrende Gedanken an Suizid, eine verminderte Denk- und Konzentrationsfähigkeit, psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung, Schlafstörungen und Appetitverlust oder gesteigerter Appetit. Wenn es ganz dumm kommt, kommen noch somatische, also körperliche Symptome, dazu. Dann wird es wirklich haarig.
Ach ja: Während für eine leichte depressive Episode insgesamt vier bis fünf Symptome ausreichen (und glaubt mir, das ist schon nicht schön), sind es bei einer schweren Episode mindestens acht. Das heißt aber noch immer nicht, dass die Menschen, die so schwer erkrankt sind, auch auf den ersten Blick erkennbar sind. Ihr würdet euch wundern, wie gut man das verstecken kann. Ich war darin so gut, dass ich selbst nicht drauf gekommen wäre, überhaupt an einer depressiven Episode zu leiden. Schon gar nicht an einer schweren ihrer Art. Natürlich war mir klar, dass irgendwas nicht stimmt. Aber ich bin mal davon ausgegangen, dass ich a) einfach nur durchhänge, dass man das b) als cooler Mensch nicht tut und dass sich sowas echt nur c) Loser gönnen. Also hab ich einfach weitergemacht. Und damit bin ich nicht alleine.
Ziemlich erhellend fand ich ein Video, in dem sich Kurt Krömer und Torsten Sträter über ihre depressive Erkrankung unterhalten . Und ziemlich gut ist auch das, was Maren schon vor ein paar Jahren über Depression und Burnout in ihrem Blog geschrieben hat.
Aber zurück zu den Menschen, die an einer Depression erkrankt sind. Die heulen nicht den ganzen Tag. Die sind auch nicht notwendigerweise mies drauf. Wenn ihr meiner Therapiegruppe in der Tagesklinik in einer Mittagspause für zehn Minuten zugehört hättet, wäret ihr wohl nicht auf die Idee gekommen, es mit zehn Menschen zu tun zu haben, die alle in einer schweren depressiven Episode stecken.
Und trotzdem ist diese Erkrankung einfach nur ätzend. Was ich als das schlimmste empfunden habe, war schlicht und ergreifend das Nichtvorhandensein von Gefühlen. Ich hatte keine mehr. Ich hab nix mehr gefühlt. Klar habe ich gelacht. Aber mich wirklich gefreut über irgendwas? Nein. Und da war diese unglaubliche Energielosigkeit. Ich war einfach leer. Keine Kapazität für irgendwas. Gerade mal dafür, morgens aufzustehen, zu duschen und mich anzuziehen. Zu allem anderen musste ich mich dann schon zwingen und für mehr als zehn Minuten Konzentration hat es in den ersten Wochen einfach nicht gereicht. Ich habe Tage damit verbracht, aus dem Fenster zu gucken.
Und während man bei einem gebrochenen Sprunggelenk einfach nur auf dem Sofa sitzt und darauf wartet, dass der Knochen heilt, ist es bei einer depressiven Episode nicht ganz so einfach. Da glaubt man, dass das nie wieder anders wird. Dass man nie wieder so wird wie damals, als es einem noch gut ging.
Immerhin hatte ich Glück, dass ich - bis auf eine vereinzelte Panikattacke - nicht noch zusätzlich eine Angsterkrankung erwischte. Dass Antidepressiva bei mir sehr gut geholfen haben. Und dass ich hervorragende Therapeuten hatte. Aber dazu in den nächsten Wochen mehr.
Für heute bleibt es dabei: Auch wenn es in den Ohren mancher Zeitgenossen fancy klingt, mal einen depressiven Vormittag zu haben (den man dann aber als geborener Optimist, mit viel Sonnenschein, einem Spaziergang und dem festen Glauben daran, dass das Glas halbvoll ist, kuriert): Eine depressive Episode ist das nicht. Das ist eine andere Nummer.
Wer eine Depression hat, ist krank. Der ist kein Loser, der ist nicht schwach, der ist krank. Genauso krank wie mit einem gebrochenen Bein. Wenn wir das vielleicht einfach mal einsehen könnten und Menschen mit einer Depression nicht immer nur als diejenigen sehen könnten, die ihr Leben nicht im Griff haben. Ok, das tut nicht jeder. Aber es kommt häufig genug vor.
Wer eine Depression hat, sollte zum Arzt gehen. Nein, nicht zum Happy-Life-Coach. Zum Arzt. Aber auch das ist schon wieder eine andere Geschichte…
Liebe Grüße
Fran