Ich habe euch damit schon häufiger in den Ohren gelegen: Während der Burnout-Therapie in der Tagesklinik Anfang des Jahres war das Prinzip der Achtsamkeit, oder neudeutsch MBSR, für mich ein echter Gamechanger. Und das ausgerechnet mir, die ich bis dahin jedem, der mir mit Achtsamkeit kam, am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre…
Nun gut, bis dahin habe ich unter Achtsamkeit eher das verstanden, was so in Influencer-Kreisen verbreitet wurde: Wir nehmen uns ein Tässchen Tee, zünden eine Kerze an und haben fünf Minuten lang nur positive Gedanken. Im Anschluss. Gibt es eine Gesichtsmaske oder ein Bad in der Wanne, deren Rand mit Kerzen so vollgepackt ist, dass man ohnehin nur mit schweren Verbrennungen ins Wasser kommt. Rabattcode für Wechseljahres-Tee, Maske, Badeöl und Duftkerzen natülrich inklusive.
Und auch in der Tagesklinik war ich innerlich erstmal ganz schön auf Krawall gebürstet. Ich sollte jeden Morgen 30 Minuten meditieren? Nö. Da schlaf ich höchstens ein. Mir zehn Minuten lang irgendwelche Blumen im Klinikpark angucken? Zweimal nö. Zusammen sind das schon 40 Minuten, die man ja mal echt produktiv nutzen könnte. Blumen sind hübsch und bunt, aber Material für zehn Minuten geben sie echt nicht her. Ich war also zwei Tage lang erstmal ganz schön bockig. Und als die Klangschale ins Spiel kam, hab ich nur noch mit den Augen gerollt.
Aber wenn man drei Monate lang auf einen Therapieplatz wartet - und mit nur drei Monaten habe ich quasi schon das große Glückslos gezogen - hilft Bockigkeit auch nicht weiter. Also habe ich nach ganz viel Augenrollen beschlossen, einfach mal mitzumachen. Frei nach dem Motto: Wenn`s nix nützt, schadet es hoffentlich auch nicht.
Zwei Tage später saß ich dann auf dem Boden unseres Gruppenraumes und sollte einen Stein entdecken. Was dabei passierte, habe ich euch hier https://fran-tastic-world.blogspot.com/2022/09/achtsamkeit-was-ist-das-eigentlich.html erzählt. Mein Fazit: Die Sache mit der Achtsamkeit ist, wenn man alle Influencer dieser Welt einfach mal aus dem Kopf wirft und sich der Sache unbefangen nähert, einfach großartig.
Ich übe das Ganze jetzt seit fast einem Jahr. Ich meditiere nicht nur täglich, sondern versuche, den ganzen Tag über achtsam zu sein. Das fängt beim Aufwachen an und endet, wenn ich einschlafe. Und es tut mir unendlich gut. Eine kilometerlange Kassenschlange bringt mich heute an den meisten Tagen genausowenig aus dem Konzept wie ein rüpelnder Mitmensch oder eine ellenlange To-do-Liste. MBSR, in der Langform Mindful-Based Stress Reduction funktioniert, zumindest bei mir. Das Prinzip wirkt nicht nur gegen Stress, sondern sorgt dafür, dass ich dem Leben und der Welt wieder vertraue und manchmal schon fast unverschämt glücklich und zufrieden bin.
Große Teile meines Freundeskreises habe ich längst damit infiziert. Die Reaktionen waren bisher durchweg positiv. Bisher bin ich scheinbar niemandem damit so sehr auf den Wecker gefallen, dass er mich deswegen von seiner Freundesliste gestrichen hat ;-) Tja, und jetzt seid ihr dran.
Ich habe ja im oben verlinkten Post schon einmal versucht zu erklären, was Achtsamkeit im Sinne von MBSR ist. Und weil man durch eigenes Tun am meisten lernt, habe ich mir einen ganz speziellen Adventskalender für euch überlegt. Ab heute gibt es hier jeden Tag eine kleine Achtsamkeitsübung. Die könnt ihr machen oder auch nicht. Was mir wichtig war: Sie kostet außer einigen Minuten eurer Zeit nichts. Gar nix. Das Schöne an Achtsamkeit ist nämlich, die bekommt man umsonst, wenn man sie möchte. Also keine Rabattcodes und kaufen müsst ihr auch nichts :-)
Und ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber mich hat die Adventszeit immer unglaublich gestresst. Inzwischen ist das halb so schlimm, weil die Kinder groß sind. Aber ich denke mit Grausen zurück an die Zeit, als neben Job und Haushalt auch diverse Weihnachtsfeiern der Voltigruppe, der Tanzschule und des Turntrainings auf dem Plan standen, außerdem natürlich das Weihnachtsbasteln in der Grundschule, die drei Kuchen für die Adventsbasare und gerne noch die drölfzig Weihnachtsmarkt-Termine mit Freunden. Wenn dann das Weihnachtsmenü endlich auf dem Tisch im blitzblanken Haus (schließlich waren die Schwiegereltern zu Gast, da mussten auch die Fenster glänzen) stand, war ich reif für die Klapse.
Und auch wenn drei Viertel des Aufwandes heute wegfallen, bleibt der eine oder andere Stressor trotzdem. Und dem geht man mit ein bisschen Achtsamkeit ganz gut an den Kragen :-)
Also denn, heute die erste Übung:
Wenn ihr mit dem Auto oder dem Bus auf einem gewohnten, altbekannten Weg unterwegs seid, macht einfach mal das Radio oder die Kopfhörer aus. Stattdessen beobachtet ihr einfach mal, wie ihr euch fühlt und was euch auf dem Weg begegnet.
Nehmt einfach mal wahr, wie ihr am Steuer oder im Bus/Bahn sitzt. Seid ihr verkrampft? Oder seid ihr entspannt? Falls ihr verkrampft seid, versucht mal, die Hände oder die Schultern zu entkrampfen und euch entspannt hinzusetzen.
Wenn ihr an einer Ampel oder einer Haltestelle stehenbleiben müsst, guckt aus dem Fenster und registriert, was ihr da seht. Ein Baum? Trägt er noch Laub oder ist er schon kahl? Ein Gebäude? Alt oder modern? Hübsch oder eher nicht? Und registriert mal, was euch in solchen Momenten durch den Kopf geht.
Registriert einfach aufmerksam, was auf eurem Weg gerade passiert. Guckt nicht auf die Uhr. Schneller geht dann nämlich gar nichts. Seid nicht sauer, wenn irgendjemand zu langsam fährt oder die Maske in der Bahn unter der Nase trägt. Seid einfach wohlwollend gegenüber den Menschen um euch. Vielleicht ist ja sogar Zeit und Platz für ein Lächeln.
Probiert es einfach mal aus und guckt, ob ihr anders am Ziel ankommt als gestern. Mir ging es so. Und seitdem ich das ausprobiert habe, läuft das Radio in meinem Auto eigentlich nie mehr.
Liebe Grüße
Fran