Seit gut einem Jahr fahre ich jetzt meinen blauen Elektro-Flitzer. Und ich bin wegen keines Autos zuvor (und es gab einige…) so häufig angesprochen worden. Da gibt es die Fraktion „Ist ja interessant, erzähl mal“ und da gibt es die Fraktion „Blöde Elektrokarren, die gehören abgeschafft“. Ein Elektroauto scheint tatsächlich zu polarisieren. Und damit erlebe ich dann regelmäßig das, was meine Kinder als Veganer längst kennen: Man wird völlig grundlos von völlig unbekannten Menschen wegen einer Entscheidung, die man für sich allein gefällt hat, angefeindet.
Während meinen Töchtern gern mit dem Spruch, sie mögen doch einmal etwas „Vernünftiges“ essen, Salamibrote unter die Nase gehalten werden, hält man mir in diesem Fall die eigenen drölfzigtausend PS entgegen, die ja soooo viel besser sind als ein Elektroauto. Ich würde sagen: Das alles liegt in den Augen des Betrachters. Ich missioniere nicht und dann möchte ich bitteschön auch nicht missioniert werden.
Aber da es scheinbar unglaublich viele Vorurteile gegenüber Elektroautos gibt, die sich sehr hartnäckig halten, möchte ich ein paar davon mal als das entlarven, was sie sind: Vorurteile.
1. So ein Elektroauto ist viel zu teuer.
Nö. Und ja. So ein Elektroauto ist in der Anschaffung in der Tat um einiges teurer als ein Verbrenner. Aber a) gibt es eine Förderung und b) spart man bei den KFZ-Steuern, in der Werkstatt und beim Verbrauch. Der Verschleiß bei einem E-Auto ist viel geringer, Öl- und sonstige Wechsel fallen gar nicht erst an und die Wartung eines Elektromotors ist eben wesentlich weniger aufwendig als die eines Verbrenners.
2. Das geht nur, wenn man eine Lademöglichkeit in der Garage hat. Es gibt viel zu wenig Ladesäulen.
Nö. Eine Lademöglichkeit in der Garage habe ich nicht. Dafür vier öffentliche Ladesäulen in fußläufiger Entfernung zwischen zwei und zehn Minuten. Bis zum Schnell-Lader sind es 20 Minuten zu Fuß. Bisher hat das ausgereicht. Hamburg-typischer Nebeneffekt: Wenn andere in Eimsbüttel drölfzig Runden fahren, um ihr Auto zum Schluss vor einem Hydranten zu parken und zu hoffen, dass es keiner merkt, nehme ich einfach einen Ladeplatz. Außerdem gibt es Apps, die mir zeigen, wo die nächste freie Ladesäule ist. Dazu muss ich allerdings sagen, dass die Lade-Infrastruktur in Hamburg wirklich gut ist. Auf dem Dorf hätte ich alt ausgesehen.
3. Mit so einem E-Auto kommt man ja nicht weiter als ein paar Kilometer.
Das hängt von der Batterieleistung ab. Meine Zoe kommt mit einer Ladung 300 Kilometer weit, hat allerdings auch nicht die kleinste Batteriausführung. Im Sommer sind es ein paar Kilometer mehr, bei Minusgraden ein paar Kilometer weniger. In die Redaktion fahre ich rund 30 Kilometer, das dürfte eine ganz normale Fahrleistung für einen Stadtflitzer sein. Ihr könnt selbst ausrechnen, wie oft ich an die Ladesäule muss.
4. Da bleibt man irgendwann ganz plötzlich liegen, weil die Batterie leer ist.
Wenn euch das mit einem Verbrenner nicht passiert ist, passiert euch das mit einem E-Auto voraussichtlich auch nicht. Denn das Ding hat - tadaaaaa - eine Anzeige für die Batterieleistung. Funktioniert wie eine Tankanzeige. Radiohören oder die Heizung fressen die Batterie übrigens nicht innerhalb kürzester Zeit leer. Vollgas schon ;-)
5. So ein Auto lädt ja stundenlang, tanken dauert nur ein paar Minuten.
Stimmt. Um die Batterie von 10 auf 100 Prozent zu laden brauche ich an einer ganz normalen Ladesäule knapp zwei Stunden. Das ist für mich aber nicht tragisch, denn ich lade in der Regel dann, wenn ich das Auto eh gerade nicht brauche. Ein Schnelllader braucht rund 30 Minuten. Den nutze ich bisher kaum.
6. Für Langstrecken ist ein Elektroauto nicht zu gebrauchen.
Das hängt davon ab, wie man Langstrecken fährt. Ich mache gern mal eine Pause und an vielen Autobahnraststätten gibt es inzwischen Schnellladesäulen. Wer 1000 Kilometer am Stück fahren möchte, muss das mit einem Verbrenner tun. Das wird mit einem E-Auto nix. Nur: Wie oft fährt man 1000 Kilometer am Stück? Also ich niemals. Für lange Fahrten in den Urlaub nehme ich allerdings den kleinen Flitzer nicht. Der wäre dafür nämlich zu klein.
7. So ein E-Auto ist ja grottenlangsam.
Da empfehle ich einfach mal eine Probefahrt. Und dabei bitte die Beschleunigung genießen ;-) Mit meinem kleinen, unschuldig aussehenden Auto lasse ich so ziemlich alles an der Ampel stehen. Und ihr ahnt nicht, wie viel Spaß das macht, wenn es sich dabei um einen Protz-AMG mit lautem Hip-Hop handelt, dessen Fahrer vor zehn Sekunden noch mitleidig auf mein Mini-Auto geguckt hat.
8. So ein E-Auto ist für die Umwelt viel schlimmer als ein Verbrenner.
Ein E-Auto ist sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber immerhin nerve ich niemanden mit Abgasen und Lärm. Mir persönlich reicht das.
9. E-Autos brennen quasi ständig und man kann sie schwer löschen.
Joa. Photovoltaikanlagen kann man auch schwer löschen. Vulkane auch. Ich hoffe einfach mal, dass mein Auto niemals brennt. Ehrlich gesagt ist mir persönlich bisher in meinem Leben genau ein Auto abgebrannt. Und das war ein Verbrenner, der aus heiterem Himmel auf der Autobahn anfing zu brennen. Vermutlich war er ein verkapptes E-Auto.
10. E-Autos übelasten das Stromnetz. Wegen denen stehen wir dann im Dunkeln.
Nö. Das haben Energiekonzerne längst ausprobiert. Für die Netze wären mehr E-Autos absolut kein Problem.
Noch Fragen?
Fran