Nachhaltigkeit also. DAS Thema im Bloggerland. Seit gefühlten Monaten sind alle total nachhaltig unterwegs. Alle, außer mir. Scheint mir zumindest. Ich weiß gar nicht, ob ich mich fremd- oder selbstschämen soll… Ok, ich bleibe mal bei Selbstscham, denn wir sollen ja alle und immerzu bei uns selbst bleiben. Tu ich hiermit :-)
In Bloggerhausen überbieten man sich also einerseits in Nachhaltigkeit, während die andere Fraktion weiterhin Fashion-Hauls postet, dass es nur so kracht. Dass die Nachhaltigkeits-Fans über die Hauler in Blogposts schimpfen und gleichzeitig treu ihre Likes und begeisterten Kommentare für die Unfair-Fashion-Hauls abgeben, hat mich tatsächlich anfangs irgendwie irritiert. Inzwischen bin ich schlauer. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus und deshalb mag man zwar schimpfen über diese bösen Hauls, aber Frauen über 40 müssen dann ja doch irgendwie zusammenhalten. Also gibt es auf dem Blog zwar verbale Schläge für die bösen Komsumausfälle, aber bei Instagram eben auch ein Like. Sagte ich schon, dass ich manche Dinge einfach nicht verstehe?
Unfreiwillig komisch finde ich ehrlich gesagt auch diejenigen, die in Woche eins über Fast Fashion schimpfen und den Kauf von langlebigen, teuren Designerstücken propagieren und in Woche zwei den neuesten Fast-Fashion-Kauf präsentieren. Versteht mich nicht falsch: Ich habe selbst diverse Stücke von Zara im Schrank. Ich weiß, wie das, was da auf den Kleiderstangen hängt, produziert wird. Manchmal habe ich da trotzdem gekauft, mit einem miesen Gefühl zwar, aber das hielt mich letzendlich nicht ab. Ist ja auch nicht schwierig, die hehren Prinzipien eben mal über Bord zu werfen. Aber ich maße mir immerhin nicht an, darüber zu schimpfen, wenn andere das tun.
Ich bin für mein Handeln verantwortlich. Nicht für das Handeln von irgendjemand anderem. Was im Prinzip auch heißt: Wer in Woche eins über Zara und H&M schimpft, darf das Zeug in Woche zwei selbstverständlich gern tragen. Aber so richtig gelungen finde ich sowas trotzdem nicht.
Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich stolz darauf sein soll, wenn das älteste Stück in meinen Kleiderschrank ungefähr 30 Jahre alt ist oder ob das peinlich ist. Es ist schlichtweg so. Und ich fürchte, der Blazer wird auch noch weitere 20 Jahre bleiben. Auf der anderen Seite gibt es da seit mehr als zehn Jahren eine Lederjacke von Zara, die vermutlich auch noch weitere zehn Jahre hält. Ist das jetzt böse? Oder ist es gut? Ehrlich: Ich weiß es nicht. Vermutlich war es böse, die Jacke zu kaufen. Und es ist gut, sie so lange zu tragen, bis sie buchstäblich auseinanderfällt.
Warum ist eigentlich noch nie jemand auf die Idee gekommen, alle seine Designertaschen im Zeichen der Nachhaltigkeit zu zeigen? So wenig ich geneigt bin, meinen Schrank voller Designertaschen zu laden - aber das wäre doch wirklich nachhaltig? So eine Tasche, für die man ein paar Tausend Euro ausgibt, hält schließlich viel Jahre und soweit ich informiert bin, werden die Taschen auch nicht in Bangladesh gefertigt, sondern von hochspezialisierten Fachkräften in der ersten Welt? Nachhaltiger geht es also wohl nicht. Das ist definitiv kein kurzfristiger Konsum, den man nach ein paarmal Tragen in die Tonne stopft. Das sind Käufe, die bestenfalls sogar zwei Generationen überstehen. Abgesehen davon schätze ich, dass jemand, der einmal in den Genuss einer wirklich hochwertigen Tasche kam, die Zara-Schätzchen künftig links liegen lässt.
Äh ja, was wollte ich denn jetzt eigentlich sagen? Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung :-)
Vermutlich wollte ich nur Absolution von euch für die Jacke im heutigen Outfit. Die stammt nämlich tatsächlich von Zara. Ich habe mir vor ein paar Jahren ein Wildederhemd gekauft, das ich ungeheuer gern mag. Und so gern ich es mag, so viel Angst habe ich davor, das Ding mit irgendetwas Fettigem einzusauen, so dass es für alle Zukunft Flecken bekommt. Also gibt es das echte Wildlederhemd nur für besondere Gelegenheiten und die Zara-Jacke aus maschinenwaschbarem Fake-Wildleder darf an all den Tagen ran, an denen ich mich nur mittelmäüig vorsehen möchte.
Immerhin aus „organic cotton“ ist der Rock - was immer auch organic cotton genau bedeutet. Und ob dar Rock fair gefertigt wurde, darüber ließ der Hersteller bei aller Begeisterung über den Rohstoff, nichts verlauten. Und weil das so ist, gehe ich mal davon aus, dass das nicht der Fall ist. Ganz weit unten ziehen mich dann wieder die Nike-Sneaker. Und ein wenig besser macht es eventuell das Top, das tatsächlich aus fairem Material plus fairer Herstellung ist… Insgesamt komme ich also auf eine knappe vier minus oder so. Retten kann ich das Ergebnis vermutlich nur dadurch, dass ich es in den kommenden Jahren weiterhin trage. Was ich übrigens gern tu, denn immerhin sei mir das bei allen Verstößen gegen die Nachhaltigkeits-Bloggeretikette zugestanden: Meine Kleidung trage ich in der Regel einige Jahre und mein Schrank ist für meine Verhältnisse ganz schön voll, aber gegen den erfolgreichen Influencer bin ich wohl ein echtes Waisenkind. Dafür trage ich nicht nur im wirklichen Leben, sondern auch auf dem Blog Kleidung mehrfach. Vielfach manchmal. Und vermutlich habt ihr auch gemerkt, dass ihr den Rock bereits kennt. Ich schätze, ihr werdet ihn noch öfter aushalten müssen, denn ein weißer Rock passt zu so ziemlich allem, was sich in meinem Schrank befindet. Also seid stark :-)
Liebe Grüße
Fran