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Channel: Fran-tastic! Leben, Mode und mehr Ü50
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Über den Schatten springen. In Lederhosen.

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In meiner Kindheit und Jugend gab es genau eine Art von Urlaub: Drei Wochen Österreich im Sommer. Meine Eltern waren absolute Österreich-Fans und bis ich 18 war, war es Pflicht, mitzukommen. Auf der Tagesordnung stand genau eines: Wandern. Und zwar gefühlt immer nur bergauf. Ich sag euch, ich habe es gehasst, zumindest im Teenie-Alter, als mir der Sinn wesentlich mehr nach Fun und Party stand als nach Wanderschuhen.

Irgendwann muss es uns allerdings, anstatt wandern zu gehen, in ein Trachtengeschäft verschlagen haben. Und da fand ich - nein, kein Dirndl. Dirndl mag ich nicht. In so einem Dirndl käme ich mir ganz furchtbar verkleidet vor. Nö. Ich trieb mich lieber in der Herrenabteilung herum und fand: Eine Lederhose. Ihr wisst schon, so eine wunderbare Kniebund-Lederhose aus richtig dickem, weichen Leder. Meine Mutter fand, dass so eine Lederhose nicht wirklich zu ihrer Tochter passt und es wurde also nix aus Fran in einer Trachtenlederhose.


Ich beschloss, nachdem ich volljährig war, nicht mehr bei meinen Eltern lebte und meine eigenen Urlaubsentscheidungen treffen durfte, dass Österreich definitiv nicht mehr auf der Liste stand. Es verschlug mich noch einige Male nach München, weil meine Schwester dort einige Jahre lebte. Aber Berge? Wandern? Ganz sicher nicht.


Und dann kam 2020. Eigentlich war Andalusien geplant. Witzigerweise inklusive Wandern, denn es sollte der Caminito del Rey werden und wenn man schonmal im Gebirge ist, dann sollte man das auch nutzen- vorausgesetzt, es sind nicht die Alpen ;-). Doch dann kam die Reisewarnung für Spanien. Auf Ost- oder Nordsee hatte ich wenig Lust, vor allem angesichts der Wetterprognosen. Und dann entstand diese Idee, sowohl Südtirol als auch Süddeutschland zu erkunden. Hm. Nachdem mir glaubhaft versichert wurde, dass ich bei anhaltendem Widerwillen keinen Meter wandern müsse. Vorsichtshalber habe ich immerhin Schuhe eingepackt, mit denen man wandern könnnte, wenn man denn dringend wollte.


Ja, und dann gings los. Station eins: Südtirol. Anfahrt: Ganz schön lang von Hamburg aus. Und dann waren sie ganz plötzlich da: Die Alpen. Jahrzehntelang schmählich ignoriert. Aber beim Anblick von Bergen, Felsen, Schluchten, Bergwiesen und allem, was so dazugehört, war ich hin und weg. Sooooo schlimm war das Wandern damals doch eigentlich gar nicht. Und diese wunderhübschen Bergbäche, an denen wir immer Rast gemacht haben! Und dieses Gefühl, ganz oben auf einem Berg zu stehen und nicht nur die Aussicht zu genießen, sondern auch das Gefühl, es bis nach oben geschafft zu haben!


Südtirol war genau der richtige Ort, um mich anzufixen. Kaum waren die Koffer ausgepackt, habe ich mir von den netten Mädels an der Rezeption ein paar Tipps für eine nicht allzulange Wanderung geben lassen und dann ging es los. Hach, war das schön. Irgendwann rutschte mir raus, dass diese Hochebene mit den sanft gewellten Wiesen, den Latschen und den Heustadeln, doch eigentlich zu einem Playmobil-Set gehört und extra für mich aufgebaut wurde *grins*


Von Tag zu Tag wurden die Wanderstrecken länger und die Wege steiler und spätestens nachdem ich mir ein E-Mountainbike ausgeliehen und damit über Forstwege geheizt gemächlich geradelt bin, war es um mich geschehen. Eines fehlte mir allerdings: Richtig hohe Berge mit möglichst vielen schroffen Felsen. Fest stand, dass ich zur Urlaubshalbzeit das große Kind in Würzbürg abholen würde und anschließend zumindest ein paar Tage Regensburg gesetzt sind. Also habe ich zwischen Südtirol und Würzburg möglichst hohe Berge gesucht und habe das Ötztal gefunden. Zufällig lief mir in Sölden dann noch ein vielversprechendes Hotel über den Weg.


Das Ergebnis: Nach einer Woche Südtirol und vier Tagen Sölden wurde das Kind fix durch Regensburg geschleift (das sehr schön war), um gleich wieder nach Sölden zurückzukehren. Ursprünglich hatten wir noch den Bodensee auf der Route, aber der wurde kurzerhand gestrichen. Und wir wanderten und wanderten und wanderten :-) Ich habe mich mehrfach vergewissert: Dem Kinde gefiel es. Nicht dass ich ihr damit ein Trauma zufüge, für dessen Überwindung es diverse Jahrzehnte braucht!






Und um die Sache komplett zu machen begegnete mir in einem Schaufenster auch noch eine Lederhose :-) So eine richtige Kniebundleder-Trachtenhose. So eine, für die ich mit zwölf getötet hätte. Töten musste ich niemanden, aber ich hab sie einfach gekauft :-) Vermutlich ist es in den Augen jedes Einheimischen eine Todsünde, wenn sich Touristen aus Norddeutschland in Tracht werfen und dann auch noch in die des falschen Geschlechtes. Darauf konnte ich leider keine Rücksicht nehmen. Ich musste das Ding kaufen. Siehe Trauma oben. Also seid bitte nachsichtig mit mir :-) Wenn ich mich schon mit Bergen versöhne, dann brauche ich bitte auch eine Lederhose. Es steht auch nicht zu befürchten, dass das gute Stück als Kleiderschrankleiche endet, denn die Hose ist schon jetzt saubequem, nachdem ich sie gerade mal ein paarmal getragen habe. Wenn die richtig eingetragen ist, ist man vermutlich versucht, darin zu wohnen. Und ja, ich werde das gute Stück definitiv auch im Büro tragen. Wozu ist man schließlich Redaktionsleiter und macht die Vorschriften? Damit meine Kollegen mich künftig nicht mit „Grüss Gott“ begrüßen, belasse ich es bei der Hose und trage eine weiße Bluse und Sneakers dazu. Obwohl: diese Kombination aus dem Schaufenster mit der Trachtenweste…. Hach. Man muss ja noch Ziele haben :-)


Viele Grüße

Fran


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