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Flieger, grüß mir die Sonne oder: Das hat nichts mit mir zu tun

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Es ist gerade mal Donnerstag, aber ich bin sowas von Wochenend-reif. Irgendwie fällt in meiner Arbeitsumgebung einer nach dem anderen krank aus und ich habe das Gefühl, gerade gegen Windmühlenflügel zu arbeiten. Und ob ich mich aufs Wochenende freuen soll, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht so richtig. Ich fahre nämlich nach Boltenhagen.

Eigentlich eine gute Idee, weil Boltenhagen an der Ostsee liegt. Un-eigentlich habe ich an Boltenhagen nicht die besten Erinnerungen. Ihr erinnert Euch? (Alle, die persönliche Dramen auf Blogs doof finden, ab hier bitte weglesen) Mein Mann hatte diese Affäre - bis dahin war es nur ein Chat - und ich keine Ahnung. Ich habe sogar am Hafen noch Fotos von ihm gemacht, die postwendend bei seiner Auserwählten landeten. Die moderne Kommunikation macht`s möglich. Macht nix, sie fand das Foto sowieso doof, weil er da einen Hut trug.

Während ich also friedlich im Hotelbett schlummerte, wurde neben mir eifrig gechattet - und ich hab`s verschlafen, ich Depp. Boltenhagen ist also im Moment bei mir nicht gerade positiv besetzt, aus Gründen. Und doch sehe ich eigentlich nicht ein, mir einen ganzen Ort madig machen zu lassen, nur weil zwei Menschen sich einfach scheiße benehmen. Nö. Für sowas bin ich zu trotzig.

Von diesem Trotz war eine ganze Weile nichts mehr übrig. Ich habe lange damit gehadert, von diesem Idioten gegen „sowas“ ausgetauscht zu werden. Mrs X ist nämlich rein äußerlich betrachtet die Re-Inkarnation dessen, was ich bis vor zehn Jahren mal war: Das dicke Mutti. Und wirklich skurril finde ich, dass mein Mann damals nach dieser „Verwandlung“ ziemlich glücklich war. Glücklich, dass ich mich nicht nur optisch grundlegend verändert habe, sondern dass aus der Couch potatoe ein Mensch mit einem ganz anderen Lebensgefühl geworden war.

Und dann tut er das nächste „dicke Mutti“ auf? Ist der noch dicht? Dazu noch ein Mutti, das so ziemlich alles verkörpert, das er nie mochte. Hasst Sport. Hat vor 25 Jahren sich selbst aufgegeben, um sich ganz der Familie zu widmen. Interessen? Null außer den lieben Kinderlein und ein bisschen Basteln. Und das dem Mann, den ich als Supersportler kennengelernt habe, der sich mit mir stundenlange Politik-Debatten lieferte, der Theater liebt und die Welt sehen will. Mit einer Frau, die allenfalls Pauschalurlaub macht, bei dem das Schnitzel auf dem Büffet liegen muss?

(Bevor ich jetzt irgendjemanden beleidigt habe: Das alles ist nicht tragisch. Jeder soll so glücklich werden wie er mag. Aber das sind nun mal alles Dinge, die diametral entgegengesetzt zu dem sind, was ich von ihm kenne)

Wie auch immer: Ich habe es nicht verstanden und ich habe gehadert, gelitten und beide verwünscht. Das kann wohl nur jemand nachvollziehen, der das einmal erlebt hat. Ich habe es als unglaublich demütigend empfunden, gegen ein solches „Modell“ ausgetauscht zu werden. Bis ich nach ein paar Monaten erkannt habe: Das hat überhaupt nichts mit mir zu tun. Null. Nada. Niente. Das hat lediglich damit zu tun, was er in ihr gesehen hat. Und das war verdammt wenig, genau genommen nur eines: Dass er ihre volle, grenzenlose Bewunderung hatte - oder sie wenigstens so tat, als ob. Meine hatte er nicht - ich kannte ihn ja schon eine Weile ;-) Da gibt es grenzenlose Bewunderung einfach nicht. Da gibt es Alltag und Pflichten und manchmal Meinungsverschiedenheiten. Das ganz normale Leben eben. Für grenzenlose Bewunderung war da weder Zeit noch Raum. Und ich würde mich auch weigern, jemanden grenzenlos zu bewundern, nur damit der sich gut fühlt.

Nach dem ersten realen Treffen der beiden habe ich mich gewundert (und ja, auch fies gelächelt), weil der Mann irgendwie ernüchtert wirkte. Heute weiß ich das. Das ist halt so, wenn die Realität den Erwartungen nicht Stand hält. Wenn sich die Traumfrau ganz plötzlich als nicht mehr ganz so traumhaft erweist. Sich in der Realität aufzuhalten hat den Wunschtraum wohl recht schnell platzen lassen. Es blieb: Ernüchterung. Und dann ein schnelles Ende.

Die Einsicht, dass diese ganze Geschichte tatsächlich nichts mit mir zu tun hat, sondern nur mit den beiden Beteiligten, hat eine ganze Weile gedauert und ich habe sie auch nur mit professioneller Hilfe gewonnen. Und mit dieser professionellen Hilfe werde ich auch ein Wochenende in Boltenhagen mitnichten jammernd und heulend verbringen, sondern es genießen. Was da vor einigen Monaten passiert ist, hatte mit mir nichts zu tun.

Wäre schön, wenn Mrs X das dann auch endlich einsehen würde. Inzwischen weiß ich, dass sie tatsächlich hinter diesem anonymen Insta-Account steckte, den ich hier ansprach. Ich hab sie blockiert. Seitdem tauchten ein, zwei neue, anonyme Accounts auf, die ebenfalls blockiert wurden. Damit ist die Geschichte nun hoffentlich beendet.

Ich kann wieder trotzig sein, und das freut mich ungemein. Und weil ich das kann, kann ich auch wieder Klamotten tragen, die die Welt schrecklich findet :-) Den Overall zum Beispiel. Meine Kollegen singen grinsend „Flieger, grüß mir die Sonne“, wenn ich das Ding trage. Pilot wäre ich tatsächlich vor ungefähr hundert Jahren gern geworden. Aber dafür waren Physik und gute Augen essentiell - mit Beidem konnte ich nicht dienen. Vielleicht mag ich den Overall deshalb so gern? Piloten-Feeling ganz ohne Physik? Ich hatte ja schon immer eine Schwäche für Latzhosen und Overalls. Und weil Letztere gerade voll im Trend liegen - so wird zumindest behauptet, ich glaube ja eher nicht, dass die sich durchsetzen - gibt es die sogar außerhalb von Fachgeschäften für Berufskleidung zu kaufen :-)





Ihr dürft also heute ruhig sagen, dass so ein Overall gar nicht Euer Ding ist. Ich trage ihn trotzdem. Trotzdem kommt nämlich von Trotz ;-) Und meinen Trotz habe ich glücklicherweise wieder gefunden. Auf nach Boltenhagen!

Liebe Grüße

Fran

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