Manchmal, wenn ich Blogposts über Business-Looks lese, dann frage ich mich ja, ob ich nicht gern so einen richtigen Business-Job hätte. So einen mit Dresscode und so. So einen, an dem ich morgens schon weiß, was nachmittags los ist. Wobei: Das weiß ich manchmal schon. Heute zum Beispiel steht noch eine Sitzung des Stadtrates auf dem Programm. Der tagt in einer Stunde und ich muss noch 15 Minuten Fahrt einrechnen. Deshalb tippe und esse ich jetzt gleichzeitig. Und zeige Euch meine Version des Business-Looks für Tage mit offiziellen Terminen. Ich habe nämlich gerade eine Bundestagsabgeordnete getroffen. Das zähle ich mal grob in die Kategorie „offiziell“. Aber dazu später mehr.
Eigentlich dachte ich heute morgen, dass der Tag bis zum späten Nachmittag strunzlangweilig wird. Ich schreibe zwei Geschichten, gehe zu zwei Terminen und falle dann ins Bett. Weit gefehlt. In der Redaktion wartete heute früh schon eine entrüstete Mail auf mich. Am Samstag hatten nämlich ein paar NPD-Mitglieder in der City für das Projekt „Schutzzone“ geworben. Das ist ein völlig verqueres Konzept von Zonen, in denen rechtschaffende Deutsche - die vermutlich blond und blauäugig sein müssen - Schutz vor der täglich wachsenden ausländischen Kriminalität finden. Inklusive Bürgerwehr und so. Also Dinge, die die Welt nicht braucht. Dachten sich wohl auch die Bewohner der verschlafenen Kleinstadt und ignorierten die orange-bewesteten Rechten. Kein Aufsehen, keine Randale, keine Presse. Das fanden die NPDler wohl doof. Und es gab besagte Mail. In der war ein Foto der Orange-Westen und ein entrüsteter Mailtext mit dem Tenor „Jetzt also auch bei uns so unsägliche Kampagnen“. Recht hat er ja, der Urheber der Mail. Aber irgendwie kam uns das dann auch merkwürdig vor. Also flugs mal den Namen des Absenders gegoogelt. Und siehe da: Der Öffentlichkeitsbeauftragte der NPD-Jugendorganisation höchstselbst hatte uns die herzige Mail geschrieben :-) Seine Absicht war natürlich, dass die Orange-Westen inklusive eines merkwürdigen Zeichens, das mich frappierend an ein Hakenkreuz erinnerte, wenigstens nachträglich noch in der Zeitung landen, wenn sie am Samstag schon geflissentlich ignoriert wurden. Klappt nicht ganz. Jetzt findet sich morgen nicht das Foto in der Zeitung, sondern ein kleiner Artikel über die Gepflogenheiten der Öffentlichkeitsarbeit bei der NPD.
Kaum waren die Rechten vom Tisch, flatterte „der Balkon“ auf den Tisch. Der Balkon ist dabei gar nicht nur einer, sondern mehrere. Die hängen an einem Neubau in einer viel befahrenen Straße. Soweit nichts Ungewöhnliches. Aber weil der verantwortliche Mensch im Bauamt bei der Genehmigung wohl ein wenig gepennt hat, ragen diese Balkone über den kompletten Gehweg an der Straße. Sie schließen in 2.50 Meter Höhe bündig mit dem Kantstein ab. Da die Straße reichlich eng ist und Begegnungsverkehr höchstens bei zwei Pkw funktioniert, nicht aber bei Bussen, haben wir eigentlich schon seit Fertigstellung des Gebäudes vor einigen Monaten darauf gewartet, dass sich ein Fahrzeug, das etwas höher ist als ein normaler Pkw, an den Balkonen aufhängt. Heute ist es dann passiert. Ein Kleintransporter landete unter dem Balkon und riss sich das Dach auf. Ich also hin, Fotos gemacht, mit dem Fahrer gesprochen und wieder zurück. Immerhin musste mein Kollege sich um den Rest der Geschichte kümmern. Ich musste nämlich fix nach Hause und den Hund um den Block schleifen.
Dann wartete der nächste Termin. Ein Pressegespräch mit der oben erwähnten Bundestagsabgeordneten. Dummerweise fiel das Pressegespräch ersatzlos aus, weil die gute Frau noch mit einigen Menschen diskutieren musste. Ich lauschte also 90 Minuten lang völlig gelangweilt fasziniert der Diskussion und verschwand, als klar wurde, dass das Pressegespräch wohl nicht mehr stattfinden würde. Vor der Sitzung des Stadtrates wollte ich nämlich noch etwas essen und diesen Blogpost schreiben, damit ihr immerhin in den Genuss meines Business-Outfits kommt.
Ha, geniale Überleitung, oder? Ich habe nämlich Kind, klein, genötigt, kurz vor dem Aufbruch zu Frau Bundestag noch schnell ein paar Fotos zu machen. Deshalb kann ich zwar nicht mit einer hochprofessionellen, passenden Location dienen, sondern ihr müsst mit meinem Rasen Vorliebe nehmen. Aber immerhin trage ich einen höchst professionellen Anzug. Und nein, den Rasen habe ich in diesem Jahr noch nicht gemäht. Werde ich auch in den nächsten Wochen noch nicht tun. Der soll so.
Den Anzug liebe ich, weil er superbequem ist und doch irgendwie korrekt aussieht. Kleinkariert wie er ist könnte ich damit vermutlich auch als Buchhalterin durchgehen. Damit es nicht zu korrekt aka spießig wird, gibt es dazu halt Turnschuhe. Klar, ich hätte auch ein T-Shirt nehmen können. Das wiederum sieht dann doof aus, wenn ich in der Sitzung heute Abend den Blazer ausziehe. Man weiß nämlich in der Stadthalle vorher nie, ob es warm oder kalt sein wird. Ich hatte da schon 25 Grad und 13 Grad. Die Heizung geht manchmal, die Klimaanlage nie. So, und jetzt drückt mir die Daumen, dass der Stadtrat nicht wieder bis Mitternacht tagt…
Liebe Grüße
Fran
P.S. Ich habe die Jacke nicht ausgezogen. Die Heizung ging wieder nicht. Dafür war ich schon um 21 Uhr zuhause. Manchmal muss man sich auch über die kleinen Glücksmomente freuen :-)