Wo waren wir im letzten Post stehengeblieben? Genau: Ihr seid nach dem Burnout stabil und habt das Gefühl, es kann wieder losgehen mit dem Job. In diesem Fall solltet ihr es, wenn möglich, langsam angehen lassen. Langsam angehen heißt: Betriebliche Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell. Und das gibt es, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, gar nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland.
Eine solche Wiedereingliederung ist, wie ich finde, eine sehr segensreiche Erfindung, die es euch ermöglicht, über einen Zeitraum von in der Regel vier bis acht Wochen - es darf aber auch länger dauern - wieder in den Job einzusteigen.
Wichtig dabei: Der Arbeitgeber muss mit einer Wiedereingliederung einverstanden sein. Ihr müsst das vorher mit der Personalabteilung/dem Chef oder im Rahmen eines BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement)-Gespräches klären. Das Einverständnis ist in der Regel aber keine allzu große Hürde, denn der Arbeitgeber zahlt während der Zeit der Wiedereingliederung kein Gehalt. Ihr bekommt weiterhin Krankengeld und seid auch während der Eingliederung weiterhin krank geschrieben.
Einschub: BEM ist die Abkürzung für Betriebliches EingliederungsManagement. Zweck des Konzeptes ist, die Ursachen für längere Arbeitsunfähigkeitszeiten zu erkunden und sie, falls möglich, künftig zu vermeiden. Lösungen für Probleme sollen gemeinsam gefunden werden. Seit 2004 ist das BEM für jeden Betrieb vorgeschrieben. Das heißt allerdings nicht, dass das auch überall bekannt ist… weiß ich aus eigener Erfahrung ;-)
Vor der Wiedereingliederung steht allerdings ein Plan. Gemeinsam mit eurem Therapeuten oder Arzt stellt ihr einen Fahrplan für die Wiedereingliederung auf. In diesem Plan wird festgelegt, mit welcher Stundenzahl und wie vielen Arbeitstagen ihr zu arbeiten beginnt und wie schnell sich das steigert. Ihr könnt beispielsweise mit zwei oder drei Stunden täglich einsteigen und das wochenweise um eine Stunde steigern. Oder ihr beginnt mit vier Tagen à drei Stunden. Möglichkeiten gibt es viele. Man kann auch etwa festlegen, welche Arbeiten in welchen Wochen nicht gemacht werden sollten oder ob Wochenenddienste gemacht werden dürfen.
Der Plan, den ihr mit euren Arbeitgeber durchsprecht, wird von ihm abgezeichnet und dann geht es los. Was da steht, ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, sondern kann jederzeit verlängert oder verkürzt werden - wenn ihr einverstanden seid. Aber auch das muss der Arbeitgeber absegnen
Mein ganz persönlicher Tipp dazu: Auch wenn es verlockend ist, weil man sich ja schließlich beweisen möchte - bleibt bei dem, was im Plan steht und beharrt im Zweifelsfall auch darauf. Die stufenweise Wiedereingliederung ist nur dann sinnvoll, wenn sie auch stufenweise durchgeführt wird oder ihr alternativ selbst sagt, dass ihr abweichen möchtet. Wenn euer Arbeitgeber aber gegen euren Willen von diesem Plan plötzlich abweichen möchte, weil „das ist ja nur Papier und Papier ist geduldig“ und euch unversehens einen nicht abgesprochenen Wochenenddienst, Arbeit an nicht vorgesehenen Tagen oder Mehrstunden aufdrücken möchte, dürft ihr auf den Plan verweisen. Redet mit eurem Therapeuten oder Arzt darüber, wenn da etwas schief läuft. Und wenn keine Einigung mit eurem Arbeitgeber zu erzielen ist - solche Fälle soll es geben *flöt* - dann könnt ihr die Wiedereingliederung abbrechen. Nachteile entstehen euch dadurch nicht.
Es kann allerdings passieren, dass der Arbeitgeber in diesem Fall einem erneuten Versuch der Wiedereingliederung nicht zustimmt und darauf beharrt, dass ihr nach der Genesung gleich wieder voll einsteigt. Und wenn er sich auch bei sonstigen Absprachen - etwa bei dem Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung - ohne Begründung unzugänglich zeigt (das soll schon passiert sein…), dann darf man durchaus über die eigene Kündigung nachdenken.
Bevor ihr allerdings kündigt: Geht auf die Suche nach einem neuen Job oder besprecht das Problem mit euren Therapeuten oder Arzt. Informiert euch bei der Agentur für Arbeit, was auf euch zukommt, wenn ihr kündigt.
Ich habe davon ehrlich gesagt keine wirkliche Ahnung. Ich habe mir einen neuen Job gesucht und dann gekündigt. Bei der Jobsuche seid ihr selbstverständlich nicht verpflichtet, eure Erkrankung zu thematisieren. Ich würde es auch ehrlich gesagt nicht empfehlen. Das ist in vielen Fällen keine gute Idee. Ihr bewerbt euch aus einem laufenden Arbeitsverhältnis. Punkt. Das muss reichen.
Wahrscheinlicher als der oben geschilderte „worst case“ ist ohnehin, dass die Wiedereingliederung reibungslos klappt und ihr nach einigen Wochen oder Monaten wieder Vollzeit in eurem alten Job seid und alles gut wird. Was uns aber zu der Frage bringt:
Weiter im alten Job oder rein in den Neuen? Was ist besser?
Es ist nämlich gar nicht so einfach, mit den alten Kollegen und Chefs zusammen zu arbeiten, nachdem man in der Therapie gelernt hat, was man in der Vergangenheit falsch gemacht hat. Kollegen und Chefs kennen euch so wie ihr bis zum Burnout gewesen seid. Und es könnte durchaus sein, dass sie ziemlich komisch gucken, wenn sie plötzlich ein „Nein“ hören, wo sie ein „Ja“ erwartet haben.
Ihr seid ja nicht umsonst in den Burnout gerutscht, sondern das hatte einen Grund. Nämlich den, dass ihr euch systematisch überlastet habt. Wenn ihr das nun nicht mehr tut, handelt ihr entgegen den Erwartungen. Und wo es sowieso schon schwer ist, einfach mal „Nein“ zu sagen, weil man diejenige ist, die das vorher quasi nie getan hat, dann ist das noch schwerer, wenn man genau weiß, dass das Gegenüber das nicht versteht. Weil es einen ja kennt als diejenige, die unendlich belastbar ist.
Am alten Arbeitsplatz weiter zu arbeiten ist also in diesem Sinne doppelt schwierig. Was helfen kann, ist ein offenes Gespräch mit Kollegen und Chefs. Ein Gespräch, in dem man einfach mal erzählt, was einen in den Burnout gebracht hat. Und auch wenn das Konzept eines Burnouts vielen nicht wirklich klar ist - ich selbst habe da vor meinem eigenen Exemplar auch immer die Augenbrauen hochgezogen und gedacht „Jaja. Red du nur.“ - funktioniert das in vielen Fällen. Muss man ausprobieren.
Und was, wenn es nicht klappt? Dann wechselt man halt den Arbeitsplatz. Aber auch das ist nicht ganz risikolos. Denn man nimmt sich selbst ja schließlich mit. Und diejenigen, die in einem Burnout landen, sind dummerweise eben auch die, die in einem neuen Job einen richtig guten Job machen wollen. Die sich beweisen wollen. Die alles auffangen und ausbügeln. Und genau das gilt es eben zu vermeiden. Gar nicht so einfach, wenn man „die Neue“ ist und sein Bestes geben will.
Es ist also egal, ob ihr kündigt oder nicht: Wenn ihr nach einem Burnout wieder in den alten oder in den neuen Job einsteigt, dann lohnt es sich, sich jeden Abend die Frage zu stellen, an welchen Stellen man im Laufe des Arbeitstages in alte Fallen getappt ist oder, im Therapeutendeutsch, wo man alte Muster bedient hat. Und sich immer wieder zu überlegen, wie man das in Zukunft vermeidet. Das hat bei mir wunderbar funktioniert, weil ich in der Therapie und auch danach sehr viel über Achtsamkeit gelernt habe. Die hat mir jeden Tag dabei geholfen, meine alten Muster zu erkennen und sie nicht mehr zu bedienen.
Fazit: Es funktioniert. Ich mag meinen neuen Job sehr. Ich arbeite wieder wahnsinnig gern. Aber ich bin inzwischen auch in der Lage, mit kurzfristigem Stress gut umzugehen und langfristigen Stress erst gar nicht entstehen zu lassen. Das ist kein Hexenwerk, aber es braucht Zeit.
Liebe Grüße
Fran