Diese Frage haben mir in den vergangenen Monaten einige Leserinnen (und ja, das waren ausschließlich Frauen) per Mail gestellt. Die Antwort: Nein. Müssen muss du gar nichts. Und vor allem solltest du, wenn du tatsächlich in einen Burnout gelaufen bist, erst einmal gar keine Entscheidungen von solcher Tragweite fällen. Aber was nun stattdessen?
Wenn du dich in den 12 Burnout-Stufen wiedererkennst - spötestens ab Stufe 9 - dann sollte Schritt eins immer sein: Geh zum Arzt. Die erste Station ist in der Regel der Hausarzt. Ich schätze, ich hatte riesiges Glück - auch wenn ich das damals natürlich ganz anders gesehen habe. Meine Hausärztin hat mich für einige Wochen krank geschrieben und mir eine Überweisung zu einem Psychiater gegeben. Sie hat mich mit diversen Adressen und Anlaufstellen versorgt und mir dringend empfohlen, mich dort auch zu melden. Das war zwar zu einem Zeitpunkt, an dem ich noch dachte, dass ich spätestens nach zwei Tagen wieder in die Redaktion fahre… Bin ich nicht. Stattdessen hatte ich nach einigen Telefonaten, die mir wahrlich nicht leicht gefallen sind, einen Termin bei einem Psychiater. Und nein, das ist kein schönes Gefühl.
Rückblickend ist das aber das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe inzwischen erfahren, dass Hausärzte manchmal Antidepressiva verschreiben, den Patienten für ein paar Wochen krank schreiben und dann muss es halt wieder gehen. Kann man so machen. Wirklich sinnvoll ist das aber nicht. Denn ohne weitere Hilfe ist es unglaublich schwierig, aus den Verhaltensmustern wieder rauszukommen, die einen in den Burnout gebracht haben. Antidepressiva allein helfen da meist nicht.
Schritt zwei also: Der Gang zum Psychiater. Klingt in den Ohren der meisten Menschen vermutlich ähnlich attraktiv wie ein Bad im Klärwerk. Aber ein Psychiater ist eben auch nichts anderes als ein Facharzt und wir sollten uns vielleicht gleich mal dran gewöhnen, psychische Erkrankungen - und nix anderes ist ein Burnout beziehungsweise die damit in der Regel einhergehende Despression - genauso zu behandeln wie ein gebrochenes Bein. Eine psychische Erkrankung ist weder ehrenrührig noch peinlich. Auch wenn einen das die lieben Mitmenschen gerne mal glauben lassen möchten.
Der Psychiater wird seine Diagnose stellen, die weitere Krankschreibung veranlassen und vor allem mit euch über die Behandlung sprechen. Zum einen über Medikamente. Und nein, die muss man nicht nehmen, wenn man das nicht möchte. Man kann jederzeit sagen, dass man es gern ohne Medikamente versuchen möchte. Zum anderen über eine Therapie. Genau da hatte ich wieder Glück: Ich war, schlicht und ergreifend weil die niedergelassenen Psychiater einen langen Terminvorlauf hatten, in einer psychiatrischen Institutsambulanz gelandet. Dort sind Termine in der Regel ziemlich kurzfristig zu bekommen. Und die Ambulanz gehörte zu einer großen Hamburger Klinik, die über Tagesklinik für Stressmanagement verfügte. Außerdem gab es in der Ambulanz Psychotherapeuten, die sehr kurzfristig Termine anbieten konnten. Auf diese Weise hatte ich einen wöchentlichen Termin bei einer Therapeutin und habe innerhalb von gut drei Monaten einen Platz in der Tagesklinik bekommen.
Für alle, die nicht in eine Institutsambulanz gehen können, steht bei Schritt drei: Fragt den Psychiater - je nach Schweregrad der Erkrankung - nach der Möglichkeit eines Aufenthaltes in einer Klinik oder einer Tagesklinik und danach, ob er euch einen Tipp in Sachen schneller Psychotherapie geben kann. Die Krux: Auf einen Platz wartet man in der Regel sehr lange. Psychotherapeuten mit Kassenzulassung sind überall ausgebucht. Es bedarf schon einiger Beharrlichkeit, dort einen Platz zu ergattern.
Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Im Anschluss an die Tagesklinik musste auch ich auf die Suche gehen. Den April und Mai habe ich mit Telefonieren verbracht, im Mai dann endlich zumindest ein Erstgespräch und - wieder Glück gehabt - direkt einen Draht zu meiner Therapeutin gehabt. Auch das ist nicht selbstverständlich. Aber im Prinzip Voraussetzung dafür, dass es funktioniert. Wenn es nicht passt, muss man weitersuchen. Auch wenn es dauert. Und dauert. Und dauert. Nach dem Erstgespräch musste auch ich noch einige Monate warten, bevor ich dann im Spätherbst endlich einen Platz hatte. Bis dahin wurde ich glücklicherweise weiterhin von der Ambulanz betreut.
Und ja, ich war die ganze Zeit durch die Ambulanz krank geschrieben. Eine Krankschreibung darf ein Psychotherapeut nämlich nicht aussstellen. Das kann nur ein Arzt. In eurem Fall also der Psychiater, den ihr ohnehin regelmäßig seht, oder der Hausarzt. Wer gesetzlich versichert ist, kann bis zu 78 Wochen wegen derselben Diagnose innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren Krankengeld beziehen. In diesem 78 Wochen sind die sechs Wochen Lohnfortzahlung bereits erhalten. Die völlige finanzielle Pleite droht also für etwa 1,5 Jahre nicht. Wie das bei privat Versicherten aussieht, hängt davon ab, ob die Versicherung auch ein Krankentagegeld umfasst. Das wird meines Wissens unbefristet bezahlt. Aber erkundigt euch da unbedingt bei eurer Versicherung! Außerdem gibt es gar nicht wenige Arbeitgeber, die einen Zuschuss zum Krankengeld zahlen. Ob das der Fall ist und wie hoch gegebenenfalls der Zuschuss ist, kann euch die Personalabteilung sagen, die ihr über eure Krankschreibung informiert.
Wie lange ein Burnout dauert, ist individuell. Es gibt Menschen, die nach sechs Monaten wieder anfangen zu arbeiten. Es gibt Menschen, die dafür zwei Jahre brauchen. Das kann euch niemand sagen. Ich habe anfangs mit zwei Tagen, dann mit drei Wochen und irgendwann mit zwei Monaten gerechnet ;-) Hätte mir jemand zu Beginn gesagt, dass es ein ganzes Jahr dauert, hätte ich ihn vermutlich umgehauen.
Und noch einmal: Kündigen solltet ihr in der Zeit der Krankschreibung nicht. Auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber - wie meiner - sich nicht eben als konstruktiver Partner in diesem Prozess erweist. Denn Sätze wie „Ein Burnout? Dann sind Sie ja nie wieder belastbar!“ Oder „Haben Sie sich jetzt lange genug gepflegt?“ muss man eben auch aushalten können. Die eigene Kündigung ist trotzdem in der Regel kein guter Weg. Man befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation und in der sind solche Entscheidungen eben keine gute Idee. Bei Arbeitgebern, die wie oben reagieren, empfiehlt es sich, sie per Mail über die jeweilige Dauer der Krankschreibung zu informieren und ansonsten den Kontakt ruhen zu lassen. Ist besser fürs Seelenheil.
Irgendwann ist es dann soweit: Es kann weitergehen. Wie das funktioniert, was eine betriebliche Wiedereingliederung ist und ob man jetzt vielleicht doch darüber nachdenken sollte, ob der Job noch passt, dazu gibt es am nächsten Freitag mehr. Denn wer sich bis hier durchgewühlt hat, dem sei ohnehin ein Orden verliehen ;-)
Liebe Grüße
Fran