Wer wissen möchte, wie das geht, dem empfehle ich einen Blick in die Weiten von Instagram. Da sind mir innerhalb von drei Minuten kürzlich gleich zwei Werbepostings begegnet, die genau das versprachen. Nummer eins, irgendein Coach, pries sein Programm an, das die Klienten mit Übungen, die nur zehn Minuten pro Tag in Anspruch nehmen, innerhalb von drei Wochen soweit „heilt“, dass sie innerhalb von drei Wochen neue Höchstleistungen vollbringen.
Kurzer Exkurs: Heilt steht in Anführungszeichen, weil ein Coach das gar nicht darf. Coaches dürfen nur it gesunden Menschen arbeiten. Folglich also auch genau genommen nicht mit Menschen, die einen Burnout haben. Das dürfen nur Menschen mit einer Heilerlaubnis, also Ärzte oder Heilpraktiker. Aber das scheint viele Coaches nicht weiter zu interessieren. Nun, hoffen wir, dass sie eine gute Berufshaftpflicht haben ;-)
Hey, zehn Minuten pro Tag! Und ich Depp sitze acht Wochen lang täglich acht Stunden lang in einer Tagesklinik, betreut und behandelt von einem Dutzend Therapeuten und Ärzten. Tse. Das hätte mir mal jemand früher sagen sollen.
Werbeposting Nummer zwei hatte ebenfalls eine todsichere Methode im Gepäck. Irgendein Mittelchen, das Cortisol ausschaltet. Damit sind dann laut Werbeversprechen auch alle Symptome des Burnouts weg. Na, wenn das mal nicht eine großartige Sache ist! Cortisol unschädlich machen und schwupps - kann ich gleich so weitermachen wie vorher, ohne dass es mir schlecht geht. Warum an Ursachen arbeiten, wenn man doch einfach nur die Symptome umhauen muss? Das funktioniert auch bei meinem Auto hervorragend. Wenn eine rote Warnlampe leuchtet, bau ich künftig einfach das dazugehörige Lämpchen aus :-) Wenn das mal kein großartiger Trick ist.
Aber jetzt mal ernsthaft: Gegen einen Burnout helfen weder zehnminütige Übungen, die man drei Wochen lang ausprobiert noch irgendwelche Wundermittelchen, die die Symptome wegbeamen. Und innerhalb weniger Wochen geht da auch nix. Ein Burnout braucht in der Regel irgendwas zwischen sechs und 18 Monaten, bevor man wieder fit genug ist, um einen Vollzeitjob zu stemmen. Und von Höchstleistungen hat da noch niemand was gesagt.
Was ein Burnout eigentlich ist, habe ich euch in diesem Post schon einmal erzählt. Ich hatte Riesenglück, weil meine Hausärztin, zu der mich meine Familie quasi „gezwungen“ hat, sofort erkannt hat, was mit mir los war. Ich selbst wäre nach zwei freien Tagen wieder in die Redaktion getrabt, wenn sie mich nicht aus dem Verkehr gezogen hätte. Und ja, ich war damals völlig bekloppt.
Meine Hausärztin hat mich nicht nur aus dem Verkehr gezogen, sondern mjir auch dringend einen Besuch beim Psychiater ans Herz gelegt. Da blieb mir im ersten Augenblick die Luft weg. Ich? Zum Psychiater? Was sollte ich da? Ich war doch nicht verrückt! Und oberpeinlich awr mir das obendrein auch noch. Darfste keinem erzählen, sowas.
Ich hatte Glück, landete in einer psychiatrischen Institutsambulanz, in der ich innerhalb von zwei Wochen nicht nur einen Termin beim Psychiater, sondern auch eine Stunde Psychotherapie pro Woche bekam. Und noch mehr Glück hatte ich, weil es in der Klinik, zu der die Ambulanz gehört, eine Burnout-Tagesklinik gibt, in der ich quasi in Rekordzeit, nämlich innerhalb von vier Monaten, einen Platz bekam. Wenn man bedenkt, dass pro Jahr 120 Plätze für Hamburg und Umgebung in dieser Klinik zur Verfügung stehen, war das fast ein Wunder.
Und was hat mir nun aus dem Burnout geholfen? Die Tagesklinik hatte daran einen großen Anteil, war aber nur ein Anfang. Es folgte eine Psychotherapie, die bis heute andauert. Und in der langen Zeit habe ich viel über mich gelernt. Unter anderem, warum ich mich in die totale Erschöpfung gearbeitet habe - Stichwort Glaubenssätze. Und das war ein Schlüsselmoment. Inzwischen habe ich nicht nur gelernt, diese Glaubenssätze loszulassen, sondern auch, wie ich meinen Job mit viel guter Laune und ganz viel Spaß machen kann, ohne auch nur die Spur auszubrennen.
Daher lautet mein Tipp: Falls irgendjemand von euch befürchtet, sich dem Burnout zu nähern oder schon dort angekommen zu sein (wobei nach meiner Erfahrung diejenigen, bei denen das der Fall ist, das wie ich erst dann einsehen, wenn sie denn tatsächlich umkippen), dann geht zum Arzt, und zwar am besten gleich zu einem Psychiater. Oder zu meinem Hausarzt ;-) Ok, die schaffen es nicht, den Burnout innerhalb von drei Wochen wegzukriegen. Und schon gar nicht, euch innerhalb von drei Wochen zu neuen Spitzenleistungen zu bringen. Dafür helfen die gegen Vorlage einer Versichertenkarte und ihr müsst ihnen kein saftiges Honorar in den Rachen werfen. Und ihr kriegt Hilfe. Richtige Hilfe.
Liebe Grüße
Fran