Ich liebe es ja, am Wochenende einen kleinen Abstecher nach Travemünde zu machen. Man fährt von hier aus eine knappe Stunde und es ist ja durchaus sinnvoll zu gucken, ob die Ostsee noch da ist, wo sie hingehört. Normalerweise sind die Damen Töchter mit von der Partie, denn ich habe meine Ostsee-Liebe an sie vererbt.
Im Winter allerdings ist es finanziell wesentlich günstiger, wenn die Damen zuhause blieben. Nein, nicht wegen der Antipasti, die die beiden bei jedem Besuch traditionsgemäß im Deutschen Kaiser futtern. Sondern wegen der Stege. Die werden - bis auf die große Seebrücke - nämlich im Winter soweit möglich abgebaut. Das heißt, die Planken, auf denen man normalerweise geht, kommen ins Winterlager. Ist vermutlich aufgrund der Stürme eine sinnvolle Maßnahme. Stehen bleiben nur die „Gerüste“ für die Stege.
Und die haben einen gravierenden Nachteil. Man kann auf ihnen balancieren. Was die Damen Töchter lieben. Wären es nur zwei Meter, würde ich ja einfach beide Augen fest zudrücken, atmen und gut. Aber es sind mindestens drei Stege mit teilweise mehr als 20 Metern Länge. Erreichen wir die, spielt sich die immer gleiche Szene ab: Kinder jubeln: „Lass uns balancieren“. Kinder springen zum Steg und bewegen sich auf den schmalen Balken behände vorwärts.
Mutter steht derweil am sicheren Strand und quietscht. Sie fordert ihre Sprößlinge mit dem, was sie für einen autoritären Tonfall hält, auf, sofort vom Steg-Gerüst zu kommen. Sie sieht die beiden Damen schon ins eiskalte Wasser fallen und fürchtet insgeheim, als Rettungsschwimmer fungieren zu müssen. Sie sieht sich unter den Buhrufen der Einheimischen mit zwei klitschnassen Kindern durch den Ort zum Parkplatz eilen, während mindestens ein Kind mit einer heftigen Unterkühlung und einer Lungenentzündung zusammenbricht. Ja, die Kinder sind 21 und 23 Jahre alt. Sie können schwimmen. Sie wissen, dass die Ostsee im Winter saukalt ist und sie wissen sehr genau, dass sie hervorragend balancieren können, haben sie doch einige Jahre auf dem Schwebebalken quasi gelebt.
Trotzdem hat Mutter große Sorge. Und weil ihre Autorität so gar nicht hilft, versucht sie es mit Korruption. „Du kriegst nen Zehner, wenn du sofort und auf der Stelle zurückkommst“. In früheren Jahren war es mal ein Fünfer. Aber die Inflation, ihr wisst ja…. Bisher sind sie für nen Zehner immer umgedreht und mein Nervenkostüm konnte sich wieder beruhigen. Ja, lacht nur! Bei Kindern - die sie längst nicht mehr sind - und Wasser geht bei mir sofort eine rote Lampe an. Ich glaube, ich bespreche das mal mit meiner Therapeutin ;-)
Nun denn, da die Kinder nicht dabei waren, blieb mir die rote Lampe erspart und ich konnte das Geld ruhigen Gewissens beim Afternoon Tea im Atlantic verfuttern. Das hatte ich eh schon lange geplant und weil es beim Spaziergang vorher einfach saukalt war, kamen Tee, Sandwiches, Scones und Kuchen genau zur richtigen Zeit :-)
Vermutlich sollte ich jetzt auch noch ein paar Worte zum Outfit verlieren. Der Pullover, der aus richtig dicker Wolle in Innenräumen quasi untragbar ist, war für den Spaziergang genau richtig. Zur Feier des Tages habe ich sogar meine Daunenjacke entstaubt, die im vergangenen Jahr wegen „zu warm“ gar nicht im Einsatz war. Den Rock liebe ich heiß und innig und mit einer Thermoleggings ist da auch nix kalt an den Beinen. Witzigerweise trage ich im Winter total gern kurze Röcke, im Sommer allerdings weniger. Mit Shorts habe ich absolut keine Probleme, mit kurzen Röcken schon. Vermutlich wieder eine Thema für meine Therapeutin ;-) Aber die kennt eh all meine Macken, die kann nichts mehr schocken.
Liebe Grüße
Fran