Und wieder tobt in den sozialen Medien der gewohnte Kampf, der immer dann stattfindet, wenn irgendwo auf der Welt so richtig die Kacke dampft: Darf man angesichts der Tatsache, dass irgendwo Krieg herrscht/Menschen sterben/Naturkatastrophen toben eigentlich Werbung für Nagellack (immerhin vegan, damit rettet man ja auch was) machen?
Tja, wie macht man es denn jetzt politisch korrekt richtig? Ich hätte da eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für euch. So ein Blogpost braucht ja einen Mehrwert. Und was wäre mehr wert als zu wissen, wie man sich politisch korrekt und fancy zugleich in solchen Situationen verhält? Also los.
Schritt 1: Informiertheit beweisen
Natürlich weißt du, was in der Welt vorgeht und das solltest du auch zeigen. Wenn also Dinge wie jetzt in Afghanistan passieren, dann solltest du das im Rahmen deiner Instagram-Stories für zwei bis drei Story-Sequenzen durchaus thematisieren. Aber bitte niemals mehr als drei Zehnsekünder. Bad news kill the vibes. Zu Deutsch: Schlechte Nachrichten sorgen für schlechte Geschäfte.
Aber da du nicht willst, dass der Rest der Welt dich für einen völllig ungebildeten Tölpel hält, der vom Weltgeschehen gar nix mitkriegt, solltest du schon unter Beweis stellen, dass du weißt, was läuft.
Auch ein schöner Weg: Du verkündest, dass dir sehr wohl bewusst ist, was in der Welt vorgeht. Aber du möchtest darüber nun wirklich nicht auf social media sprechen, denn das ist ein Raum ausschließlich für das Schöne im Leben.
Schritt 2: Stell deine Sensibilität in den Fokus
Gleichzeitig kannst du feststellen, dass deine zarte Seele solche brutalen Nachrichten einfach nicht in Dauerschleife aushält. Du bist so wahnsinnig sensibel, dass du nächtelang nicht schlafen kannst, wenn du auch nur 15 Minuten Tagesschau guckst. Ein wunderbarer Grund, sich mit all diesen miesen Vibes nicht mehr zu beschäftigen und eine Woche Nachrichten-Detox einzulegen. Damit beweist du a) dass du zartbesaitet bist und b) dass du dir wirklich Gedanken um die Welt machst. Nur halt nicht immer.
Schritt 3: Tu was für dich
Wer so mitgenommen ist vom Weltgeschehen, der muss ganz schnell dafür sorgen, dass er wieder ins Gleichgewicht kommt. Das beweist: Du bist achtsam dir selbst gegenüber und das ist schließlich wichtig. Wenn jeder für sich sorgt, ist ja für alle gesorgt. Abgesehen davon ist das DIE Gelegenheit, ein bisschen Werbung einzuschieben, die dir nun wirklich niemand übelnehmen kann. Nahrungsergänzungsmittel, beruhigende Badezusätze (ok, die gehen eher im Winter), ein Wellness-Hotel, in dem man so richtig runterkommt: Erlaubt ist, was der Achtsamkeit dient.
Schritt 4: Liebe
Du kannst die Welt vielleicht nicht retten, aber du kannst mehr love spreaden. Also los! Ein paar betende Hände für die Frauen in Kabul sind ein guter Anfang. Die kann man ganz unten links neben dem Nagellack unterbringen, vielleicht mit ein paar Gedanken daran, dass die Frauen in Kabul demnächst keinen Nagellack mehr tragen dürfen? Ganz viele liebevolle Gedanken nach Afghanistan zu schicken ist schnell und preiswert gemacht und du könntest deine Follower aufrufen, die Taliban mit einer Liebes-Lawine zur Besinnung zu bringen! Wenn das nicht klappt, bist immerhin nicht du schuld. Du hast es versucht!
Schritt 4: Lenke den Fokus auf etwas anderes
Du könntest zu deinen Followern darüber sprechen, dass Ungerechtigkeiten überall passieren, nicht nur in Afghanistan. Dass du dieses Gefühl der Machtlosigkeit, das die Menschen dort empfinden, so gut kennst, weil du es ja selbst ständig erlebst. Wenn du nämlich die bösen Hasskommentare bekommst. Böse Menschen müssen nämlich gar nicht mit Bart, Turban und Moped daherkommen. Und beim Thema Hasskommentare redet nun jeder gern mit. Das erhöht dann auch die Zahl der Kommentare.
Schritt 5: Keine Politik und aufs Ende achten
Werde niemals politisch. Das könnte dich Follower kosten. Eine Leidenschaft für blau/grün/rot/schwarz könnte auf Kritik stoßen. Geh deinen Followern nicht zu arg auf die Nerven mit der dampfenden Kacke. Irgendwann muss auch mal Ende sein. Den Zeitpunkt erkennst du zuverlässig daran, dass das Thema aus den ersten drei Meldungen bei Spiegel Online verschwunden ist. OK, ich weiß, dass du Nachrichtenportale überflüssig findest. Aber für mehr Erfolg on social media solltest du diese Kröte schlucken.
Mit diesen fünf Regeln solltest du eigentlich alles überstehen, vom Bürgerkrieg über Erdbeben bis hin zum Terroranschlag :-)
Liebe Grüße
Fran