Osterrituale gab es in meiner Kindheit reichlich. Da ich im katholischen Münsterland geboren und aufgewachsen bin, ging das schon mit strikten Regeln in der Fastenzeit los. Ab Aschermittwoch landete alles, was mir an Süßkram unter die Finger kram, in einem großen Einmachglas im Küchenschrank. Nicht ganz freiwillig… aber der Blick meiner Mutter duldete keinen Widerspruch. Hatte man unbändigen Hunger auf Süßes, mopste man natürlich nicht aus dem eigenen Glas, sondern aus dem der Geschwister. Logisch, oder? Da die das genauso machten, glich sich das am Ende der Fastenzeit wieder aus. Dieses Glas durfte dann erst am Ostersonntag geplündert werden.
Vorher war allerdings der Karfreitag zu überstehen. An dem war Fleisch natürlich verboten. Also gab es Pfannkuchen. Oder Milchreis. Ich fand beides ausgesprochen doof. Der Karsamstag war schon besser. Da gab es Kartoffelpuffer mit Apfelmus plus eine ganz besondere, münsterländische Spezialität: Biersuppe. Nein, ihr wollt nicht wissen, wie die schmeckt und was da drin ist. Ich habe noch keinen Nicht-Münsterländer getroffen, dem das Zeug geschmeckt hat.
Am Samstagnachmittag starten dann die kulinarischen Ostervorbereitungen. Stundenlang schmorten irgendwelche Braten und Pflicht waren mindestens zwei Ostertorten. Kein langweiliger Kuchen, sondern ordentliche Sahne- oder Buttercremetorten, bitteschön. War alles fertig, wurden Eier gefärbt, und zwar in rauen Mengen. Meine Mutter füllte dann noch die Osterkörbchen, die wir Kinder am Ostermorgen bekamen.
Auf Ostern fieberten meine Schwester und ich richtig hin, denn am Ostersonntag durften wir zum ersten Mal unsere neuen Jacken tragen. Wie sich das damals in den 70ern so gehörte, gab es zweimal im Jahr eine neue Jacke - zumindest solange wir wuchsen wie Mist und die Jacke vom Vorjahr zu klein war. Da meine Schwester gerade mal elf Monate jünger war als ich, blieb sie davon verschont, meine Jacken auftragen zu müssen. Und weil ich nur einen größeren Bruder hatte, habe ich diese Erfahrung auch nie gemacht. Vor Ostern gab es also die neue Übergangs- und Sommerjacke. Und selbstverständlich einen Schwung Kleider, Hosen und Blusen obenauf. Ganz oben das neue Sonntagskleid, zumindest solange meine Mutter die Oberhoheit über die morgendliche Kleiderwahl hatte. Und zum Sonntagskleid gab es selbstverständlich neue weiße Kniestrümpfe und Lackschuhe. Weiße oder schwarze Lackschuhe. Hach, wie habe ich die geliebt!
Am Ostermorgen warfen sich also alle in das neuen Oster-Outfit und dann startete das Programm mit der großen Eiersuche. Meine Eltern haben Jahr für Jahr die gefärbten Eier im Garten versteckt und wir haben sie, mit unseren Osterkörbchen bewaffnet, gesucht. Zwischendurch wurden die Schokoladeneier aus dem Korb gefuttert und die Osterkleider bekamen die ersten Schokoflecken. Bei der Suche in den Blumenrabatten und unter Büschen bekamen die neuen Schuhe und die weißen Kniestrümpfe die ersten Gebrauchspuren und meine Mutter die ersten Herzinfarkte. Vor dem Frühstück wurde die Brut dann einigermaßen restauriert und dann folgte Höhepunkt Nummer zwei: Das Osterfrühstück. Natürlich mit einem selbst gebackenem Hefezopf und ganz vielen Eiern. Anschließend ging es in die Kirche. Fanden wir todlangweilig, aber immerhin hatte der Pastor das schreckliche Lila abgelegt und stand in weiß vorn am Altar.
Nach einen super-üppigen Mittagessen ging es zum Osterspaziergang und zum Höhepunkt Nummer drei: Das Eierrollen. Die gefärbten Eier kamen nämlich mit zum Spaziergang und alle paar Meter wurde eine Pause gemacht und wir rollten die Eier um die Wette über die Wiesen. Der Unterschied zwischen Rollen und Werfen war marginal, so dass der Suchradius nach den Dingern mit zunehmendem Alter immer größer wurde. Wir haben nie alle wiedergefunden, sahen aber anschließend aus wie kleine Schweinchen, was meine Mutter mit Augenrollen quittierte. Es gab Jahre, in denen es an Ostern einfach nur kalt war. Dann versuchte sie uns dazu zu bewegen, eben nicht das neue Kleid mit den Kniestrümpfen und der neuen Übergangsjacke anzuziehen, sondern Hose, Pullover und Winterjacke. DAS war Höchststrafe. Die Temperaturen waren uns nämlich ziemlich egal - das neue Outfit war viiiiiiel wichtiger. In diesem Jahren waren die Osterspaziergänge dann sehr kurz, damit die lieben Kinderlein nicht erfroren. Eingesehen, dass eine Winterjacke eine gute Idee gewesen wären, haben wir allerdings nicht. „Nein Mama, mir ist nicht kalt“, *bibber* *schlotter* *frier*
Abends gab es dann den letzten Höhepunkt des Tages: Das Osterfeuer auf dem Hof meiner Großeltern, zu dem nicht nur die Familie, sondern auch die gesamte Nachbarschaft kam. Ich kann mich übrigens bis heute nicht so richtig daran gewöhnen, dass hier im Norden die Osterfeuer schon am Samstag brennen. Das gehört sich nicht. Osterfeuer ist Sonntag. Punkt.
Am Ostermontag war Familienzeit. Man traf sich auf dem Hof, auf dem mein Vater geboren wurde. Da herrschte jedes Jahr volles Haus. Mein Vater hat nämlich zwölf Geschwister und die wiederum haben insgesamt rund 50 Kinder. Für den Nachwuchs gab es zum Essen eine lange Tafel im Eingangsbereich. Ins Esszimmer hätten wir nämlich niemals alle gepasst. Fanden wir nicht tragisch, wir waren viel lieber unter uns. Anschließend tobten wir über den Heuboden, erkundeten die Ställe und hatten jede Menge Spaß. Wie das Oster-Outfit, das meine Mutter sonntagabends wieder auf Vordermann gebracht hatte, hinterher aussah, darüber hüllen wir mal den Mantel des Schweigens. War ja auch egal, abends ging es nach Hause, das Outfit kam in die große Wäsche und Ostern war vorbei.
![]() |
Kind, klein, ist noch heute begeistert, wenn die Eiersuche erfolgreich ist |
Aus meiner Kindheit kenne ich also viele Osterrituale. Ich erinnere mich daran gern, aber ich habe die Meisten nicht in meine Familie übernommen. Wer hier in der Fastenzeit auf irgendetwas verzichten möchte, darf das gern tun. Müssen muss aber niemand. Und neue Kleidung gibt es dann, wenn sie gebraucht wird. Das erspart die eine oder andere Diskussion über die Schuh- und Jackenwahl an Ostern ;-) Dass es am Karfreitag kein Fleisch gibt, ist selbstverständlich - das gibt es an ungefähr 350 Tagen im Jahr nicht, da ich nach wie vor von Veggies umgeben bin und für mich nur in Ausnahmefällen Fleisch zubereite.
![]() |
Kind, groß, ist ebenfalls ein begnadeter Eiersucher |
Was aber auf jeden Fall zu Ostern gehört, sind bunte Eier, die am Ostermorgen im Garten gesucht werden. Nur bei Schnee darf die Suche draußen ausfallen, dann wird drinnen gesucht. Völliger Ausfall der Eiersuche geht nicht. Auch wenn die Kinder inzwischen 18 und 16 Jahre alt sind - auf diesen Programmpunkt können sie keinesfalls verzichten. Also werden am Karsamstag 30 Eier gekocht, 8 davon platzen, der Rest wird gefärbt und ich hopple am Sonntagmorgen durch den Garten und verstecke sie. In den ersten Jahren haben wir einige davon im Herbst wiedergefunden. Dann bin ich dazu übergegangen, Liste mit den Verstecken zu machen und inzwischen wird das Versteck mit dem Handy fotografiert *grins*. Die Segnungen der modernen Technik sind doch zu was gut!
Aus der Küchenarie meiner Kindheit ist gerade mal das Backen eines Osterzopfes übrig geblieben, der Kirchgang entfällt zugunsten eines stundenlangen Frühstücks inklusive Eierkampf. Dabei hauen zwei Kontrahenten ihr Ei gegeneinander. Das Ei, das dabei heil bleibt, gewinnt. Ich verliere immer.
![]() |
Und hier: Fran, Ostern Anno Tuck. Ohne Lackschuhe. Aber kurz vorm Einsauen des neuen Oberteils. |
Alle anderen Programmpunkte an Ostern sind verhandelbar. Familienbesuche gibt es, wenn es gerade passt. Gegessen wird regelmäßig, aber ohne größere Verrenkungen in der Küche und ein gemeinsamer Osterspaziergang findet statt, wenn das Wetter uns lockt. Ansonsten wird gespielt, gelesen oder gechillt.
Und ihr so? Welche Rituale kennt ihr aus Eurer Kindheit? Habt ihr die übernommen oder macht ihr es ganz anders als Eure Eltern?
Und für alle, die bis hierher durchgehalten haben, gibt es noch eine kleine Anekdote aus dem Familienleben. Es begab sich zu einer Zeit, in der die Kinder noch ziemlich klein waren und an den Osterhasen glaubten. Kind, groß, öffnete am Ostermorgen die Haustür, um auf Eiersuche zu gehen. Blöderweise war die hier lebende Katze - Gott hab sie selig - in der Osternacht auf die Pirsch gegangen und hatte einen Kaninchenbau geentert. Eines der jungen Kaninchen hatte sie uns großzügigerweise vor die Tür gelegt. Kind, groß, sieht das arme Tier, das schon ein wenig angefressen war und schreit „Mama, der Osterhase ist tot“. Äh ja. Erklärt mal einer Vierjährigen, dass DAS nicht der Osterhase war….
Liebe Grüße
Fran