Warnung: Dieser Text kann Spuren von Satire enthalten. Er ist mit einem leisen Lächeln zu lesen. Wer dazu nicht in der Lage ist: Finger weg!
Das gemeine Klischee ist ja sowas von out. Man sortiert Menschen nicht in Schubladen, das ist böse! Aber manchmal, da sitzt dieses kleine Teufelchen auf meiner Schulter und hat eine Riesenkommode dabei. Mit gaaaaanz vielen Schubladen. Und wenn ich dann nichts Besseres zu tun habe, dann ziehe ich einfach mal an den Knäufen der Schubladen und mache sie auf und wieder zu und - schwupps - ist doch was drin gelandet. Manchmal sperre ich mich sogar selbst in eine Schublade :-).
Komischerweise passiert mir das gern einmal, wenn ich mich durch die Welt der Hochglanz-Blogs, der wahren Influencer des Blogosphäre bewege. Lauter unglaublich tolle, unglaublich entspannte Menschen. Die Super-Blogger. Und dann bin da ich: Super-Fran. Let the games begin.
Bevor sich jetzt wieder jemand angegriffen fühlt: Alle nicht genannten Namen der handelnden Personen, die in der Realität natürlich gar nicht existieren, sind frei erfunden. Das gilt ebenso für alle Handlungen, alle Kooperationen, alle Ehemänner, für einfach alles.
Die Super-Bloggerin ist immer, aber auch immer gut drauf. Sie ruht in sich. Sie hat ihren Mittelpunkt gefunden. Ihr Leben ist spannend. Quasi täglich erlebt sie tolle Abenteuer, trifft wahnsinnig spanende Menschen, beginnt und beendet den Tag mit einem Lächeln und ist gut drauf. Langeweile, Stress oder schlechte Laune? Gibt es nicht. Den täglichen Nerv-Kram erledigt sie quasi zwischen vier und sechs Uhr morgens, als gleich im Anschluss an die mit Champagner durchfeierte Nacht, um die Leserschaft damit nicht zu belästigen. (Merke: Die Leserschaft will sowieso nur Bilder gucken und bitte niemals mit alltäglichem Kram belästigt werden.) Nervige Kinder, blöde Chefs und Ehemänner, die Zahnpastakleckse im Waschecken hinterlassen, gibt es in Bloggerhausen nicht. Die werden genauso wie der Berg Bügelwäsche unter den mit irre viel Liebe ausgesuchten schwarz-weißen Teppich in der stylishen Wohnung in einer der Metropolen dieser Welt befördert.
(Anmerkung des Verfassers: Manchmal frage ich mich, ob sie dort irgendwann wieder hervorkriechen und in ein Instagram-Bild springen. Oder ob sie modern und müffeln. Dann gibt es Probleme, sobald Insta-Odeur erfunden wird.)
Super-Fran ist zwar wirklich oft, aber garantiert nicht immer gut gelaunt. Ihr Mittelpunkt? Ja, der muss irgendwo sein. Wenn sie Zeit hat, sucht ich ihn. Der liegt vermutlich gleich neben diesem Fahrradschlüssel, der vor zwei Jahren spurlos verschwand. Super-Fran liebt ihr Leben, ihre Familie, ihre Hund und sogar ihren Job. Das ist aber kein Grund, von Zeit zu Zeit nicht mal so richtig wütend auf alle zu sein und entsprechend rumzupesten. Sie erlebt nicht täglich neue Abenteuer, sondern irgendwie verdammt oft einen Murmeltier-Tag. Es gibt Tage, da ist sie schon mit dem Klingeln des Weckers genervt. Und springt wahrlich nicht fröhlich aus dem Bett, genießt mit allen Sinnen die ersten Sonnenstrahlen, um anschließend den vom Gatten liebevoll per Hand aufgebrühten Kaffee mit handgeschlagenem Milchschaum lächelnd entgegenzunehmen, sondern schleppt sich mit grantigem Blick auf den Rest der immer noch pennenden Familie und das ganz und gar unstylishe Chaos in der Küche zum Vollautomaten und ist gerade noch in der Lage, auf den Knopf zu drücken. Und bei der ersten Zigarette des Tages denkt sie ernsthaft darüber nach, dem Schwalbennachwuchs, der lautstark direkt über dem Schlafzimmerfenster plärrt, den Garaus zu machen.
Die Super-Bloggerin hat Zeit. Nicht nur dazu, untadelige Fotos von sorgfältig durchkomponierten Outfits zu schießen. Nein, sie schafft es nebenbei auch noch, mindestens drei Instagram-Fotos pro Tag hochzuladen, die ein traumhaftes Frühstück, ein wunderschönes Detail aus der selbstverständlich auf Hochglanz polierten Wohnung, ersatzweise einen riesigen Blumenstrauß, natürlich vom Liebsten ins Büro geschickt, und ein phänomenales Outfit für die abendliche Me-Time zu zeigen. Der Termin bei Friseur oder Kosmetikerin, der entspannte Bummel durch ein bis zwei Luxus-Läden, der Gang ins Fitness-Studio oder der total relaxte abendliche 15-Kilometer-Lauf passen spielend in den Tag, neben dem erfolgreichen Vollzeitjob in einer Führungsposition.
Super-Fran zieht nicht selten am Morgen in fürchterlicher Eile, weil der Hund mal wieder einem Kaninchen hinterherträumte anstatt die Spaziergeh-Zeit minutiös einzuhalten, irgendein Outfit aus dem Schrank, das sich beim ersten Blick auf den Spiegel als „geht gar nicht“ erweist, um dann weitere Klamotten von den Bügeln zu reißen und schlussendlich auf einem riesigen Berg nix anzuziehen zu landen. Kein Instagram-taugliches Bild, sorry. Bevor Super-Fran ins Büro fährt, schafft sie es gerade noch, den Abwasch zu erledigen und die größten Stolperfallen im Haus zu entsorgen. Im Büro gibt es keine Blumen, sondern erzürnte Leserbriefe. Ihre Friseurin hat in den nächsten Wochen keinen Termin frei. Und nach Redaktion, Terminen, Fütterung der Raubtiere, niederen Putzarbeiten und Wäschebergen sinkt sie oft genug ermattet aufs Sofa anstatt fröhlich und federleicht um den Deich zu joggen. Den Chefredakteursposten hat sich derweil natürlich ein Mann unter den Nagel gerissen. Super-Fran bleibt weiterhin auf der Berichterstattung über die Geflügelzüchtern hängen.
Die Super-Bloggerin hat Muße (ja, das schreibt man mit ß. Muse ist etwas anderes. Nachzulesen im Duden) und Zeit, ihrer Familie täglich mindestens drei vollwertige, höchst gesunde, vegane, herrlich angerichtete Mahlzeiten zu bereiten, zu denen selbstverständlich gesundes Wasser getrunken wird, zwischendurch einen dekorativen Sweet-Table vorzubereiten und nicht nur die eigenen Kinder, sondern täglich noch mindestens dreißig unheimlich gute Freunde und Herzensmenschen mit Speis und Trank glücklich zu machen. Total easy, ey.
Super-Fran rettet derweil ihre Cola Zero vor dem Zugriff der Kollegen. Irgendwann wird ihr Magen sich in Wohlgefallen auflösen. Hat schon ihre Mutter prophezeit. Die einzigen Obstsorten, die sich verlässlich in der Obstschale befinden, sind Äpfel und Birnen. Fotogene Erdbeeren, Himbeeren, Granatäpfel und Kirschen, die sie tags zuvor aus dem Supermarkt respektive Hofladen zerrte, hat der Nachwuchs im Rahmen eines nächtlichen Fressanfalls vernichtet. Oh, in der letzten Ecke des Kühlschrankes ist noch ein Joghurt! Der muss schon über dem Verfallsdatum sein. Sonst wäre der längst verschwunden. Die Mega-Packung Kinderriegel hat Super-Fran versteckt. NOCH hat der Nachwuchs sie nicht gefunden. Also Kinderriegel zur Cola! Super-Fran wird früh sterben. In Windeseile wird ein leider nur vegetarisches Mittagessen (hey, vegetarisch - ist Super-Fran wenigstens in dieser Disziplin auf dem Weg zur Super-Bloggerin?) aus dem Hut gezaubert, das nicht die geringste Chance hat, fotografiert zu werden, bevor es in den Kindern verschwindet. Wenn Super-Fran es schafft, einmal pro Woche ihre beste Freundin für zwei Stunden zu sehen und ihr möglichst die Haare vom Kopf zu fressen, ist sie heilfroh. Also Super-Fran, nicht die Freundin. Die weiß genau, dass Super-Frans kulinarischen Talente eher auf der Nehmerseite liegen.
Die Super-Bloggerin bekommt zum Jahrestag des ersten gemeinsamen Supermarkteinkaufes mit ihrem Traumpartner mindestens eine Designertasche geschenkt. Der Mann ist selbstverständlich bester Freund, Geliebter, Kumpel, Vertrauter, Zahlmeister und noch viel mehr in Personalunion und mit ihm streitet man sich niemals nicht. Alle drei Tage ist eine Date-Night anberaumt, schließlich braucht man Zeit zu zweit, ohne den lästigen Nachwuchs. Der genießt derweil den liebevollsten Babysitter der Welt, der einen noch nie versetzt hat und in den die lieben Kleinen und die lieben Großen vernarrt sind, weil er bei jedem Einsatz nicht nur pädagogisch wertvoll spielt und die Kleinen ohne Wenn und Aber liebt, sondern ganz nebenbei noch das Haus wienert und den Garten auf Vordermann bringt. Ach ja, der monatliche Kurzurlaub zu zweit in den schönsten Luxusresorts dieser Welt wird von der Super-Bloggerin im Alleingang geplant. Dafür durchforstet sie tagelang das Netz für die geheimsten Geheimtipps völlig abseits dieser schmuddeligen Touristen.
Super-Fran fürchtet, ihr Mann kann sich an den ersten gemeinsam Supermarkteinkauf nicht mehr erinnern. Und selbst wenn er es könnte - der Sinn von Handtaschen in einer Preisklasse oberhalb von 500 Euro hat sich ihm noch nicht erschlossen. Mist. Immerhin brauchen Super-Fran und ihr Mann keinen Babysitter mehr, wenn sie abends ausgehen wollen. Das bedeutet aber leider auch, dass Haus und Garten eben nicht vom Babysitter gerichtet werden. Doppel-Mist. Wenn die beiden ins Kino gehen, wird in der Regel erstmal eine halbe Stunde über die Wahl des Filmes diskutiert. Und - sagt es bitte, bitte nicht weiter - sie haben sogar schonmal gestritten! Die Luxusresorts fielen der Tatsache, dass Super-Fran auf der Karriereleiter immer nur bis Sprosse drei kommt, zum Opfer. Und selbst im Kurzurlaub im Nicht-Luxus-Hotel hat sie nicht ausschließlich gigantischen Sex, sondern streitet manchmal. Vor allem dann, wenn sie Hunger hat.
Ihr seht selbst, bei Super-Fran herrscht noch mächtig viel Optimierungsbedarf. Und weil ein Blogger ja immer ein paar total geheime Projekte braucht, über die er im Moment noch nicht reden darf, aber bald, ganz bald erfahrt ihr exklusiv mehr, wollen wir doch mal sehen, ob da noch was zu retten ist. Bis demnächst in diesem Theater!
Liebe Grüße
Super-Fran
Nach Diktat verreist in Richtung Super-Blogger